Morland 02 - Die Blume des Bösen
Dickicht der toten Bäume, ohne darauf zu achten, ob die anderen ihm folgten. Schließlich knickte er ein, rollte einen Hang hinab und blieb schließlich am Ufer eines Baches liegen. Plötzlich war es, als hätte das plätschernde Wasser einen Schalter in ihm umgelegt. Jede Faser seines ausgedörrten Körpers flehte ihn an, in die Knie zu gehen und zu trinken. Nur einen Schluck, einen winzigen Schluck! Hakon stieß einen Schrei grenzenloser Frustration aus. Neben ihm sank York ins tote Laub und nahm seine Hand.
»Komm, steh auf«, sagte er flehend.
»He!«, rief auf einmal jemand, Hakon wusste nicht, ob es Eliasson oder Henriksson war, ihre Stimmen waren sich so ähnlich. »He, dort drüben ist eine Hütte!«
York packte Hakon unter die Arme und zog ihn hoch. »Los, wir haben es fast geschafft.«
Die Hütte verdiente wohl eher die Bezeichnung Barackeund war eine lang gezogene halbrunde Röhre aus Wellblech. Nur die Front und die rückwärtige Wand waren gerade. Die Tür war angelehnt. Vorsichtig streckte Henriksson die Hand aus und öffnete sie. Mit einem leisen Quietschen schwang sie nach innen auf.
Das Licht, das von außen durch die geöffnete Tür und die schmutzigen Fenster fiel, reichte aus, um eine grausige Szenerie zu beleuchten.
Links und rechts standen jeweils drei Betten, auf denen mumifizierte Leichen lagen. Nur eines war leer. Einige der Toten sahen aus, als seien sie friedlich eingeschlafen, doch drei von ihnen mussten einen entsetzlichen Todeskampf durchlitten haben. Ihre Münder waren weit aufgerissen, die Hände hatten sich um den Hals gekrallt.
Eliasson stieß einen erstickten Schrei aus. York wandte sich ab, lehnte sich gegen einen Baum und übergab sich. Hakon war so entkräftet, dass er im ersten Moment gar nicht verstand, was er sah. Einzig Morten Henriksson behielt die Fassung. Vorsichtig trat er in das Innere der Wellblechhütte.
»Was ist mit ihnen geschehen?«, fragte Hakon heiser.
Henriksson antwortete nicht. Er nahm eine Petroleumlampe vom Haken und schüttelte sie, doch sie war leer. Er durchsuchte die Regale und Schränke, bis er endlich zwei Grubenlampen fand. Er zog aus seiner Hosentasche ein Heftchen Streichhölzer und entzündete sie mit zitternden Händen.
»Was ist mit ihnen geschehen?«, wiederholte Hakon die Frage.
»Ich weiß es nicht«, sagte Henriksson und näherte sichzögerlich einer der Leichen. Erst jetzt konnte man sehen, dass sie wie das spärliche Mobiliar mit einer dicken Staubschicht überzogen war. »Aber ich befürchte, dass sie genau das durchgemacht haben, was uns auch bevorsteht.« Er zog dem armen Kerl die Decke über den Kopf.
Eliasson hatte wohl seinen ersten Schreck überwunden, denn er tat dasselbe mit den anderen Leichen. Dann atmete er tief durch.
»Was für ein Ort«, sagte er und stöhnte. »Ich hoffe, es kommt keiner von euch auf die Idee, hier übernachten zu wollen.«
York stand jetzt mit wackeligen Beinen neben Hakon und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Keine Angst. Keine zehn Pferde würden mich dazu bringen.«
Henriksson nickte und nahm eine der Karbidlampen, um die Regale zu untersuchen.
»Das war eine bestens ausgerüstete Expedition. Hier liegen Karten, ein Kompass, Rucksäcke, Zelte und Schlafsäcke. Ich denke, die werden wir gut gebrauchen können.« Henriksson nahm eine Konserve aus dem Regal und drehte sie so, dass er die Beschriftung lesen konnte. »Fleisch in Dosen. Nicht unbedingt das, wonach mir gerade der Sinn steht, aber wenigstens werden wir nicht verhungern.« Er begann einen der Rucksäcke mit Proviant vollzustopfen.
»Wir brauchen unbedingt etwas zu trinken«, sagte Hakon.
»Das Wasser dürfte längst verdorben sein«, sagte Henriksson mit einem Blick auf die Feldflaschen, die an einem Haken hingen. »Versucht es mal hiermit.«
Er warf York zwei Konserven zu.
»Aprikosen im eigenen Saft! Lecker!«
Eliasson hatte sich inzwischen an den langen Tisch gesetzt und blätterte in einem Buch.
»Was ist das?«, fragte Henriksson und stellte den Rucksack ab.
»Sieht wie ein Tagebuch aus«, sagte Eliasson und zog aus seiner Jackentasche eine Brille. »Hier, lest das!«
Hakon und York beugten sich gemeinsam mit den anderen über die Kladde.
2. Tag
Die Wagemut ist heute zu Station 11 zurückgekehrt. In vier Wochen soll sie uns wieder abholen. Ich befürchte, das wird der längste Monat unseres Lebens. Es ist ein trostloses Land, lebensfeindlich und verdorrt. Und dennoch gibt es Hinweise auf Artefakte
Weitere Kostenlose Bücher