Morphin
ich stinke wie ein Ziegenbock, dass ich den Krieg verloren habe und nichts mehr zu melden hätte. Ich bestehe auf meiner Forderung. Und so weiter. Am Ende durfte ich doch anrufen.»
«Und wen haben Sie angerufen?»
«Augenblick noch … Ich rede also, reiche dann den Hörer an den Gendarmen weiter, der mich bewacht, und der macht jetzt ein ganz langes Gesicht. Die Waffe brauche ich nicht abzugeben, aber jetzt heißt es nur noch warten. Dann geh ich schlafen. In einer Zelle zwar, aber nicht verschlossen. Am Morgen stehe ich auf, wir warten noch ein bisschen, doch nicht mehr lange. Und stellen Sie sich vor, was für Gesichter die Zänger machte, als eine Fahrzeugkolonne bei der Dienststelle vorfährt und aus einem Auto Bartha höchstselbst aussteigt.» Er macht eine Pause, in Erwartung meines erstaunten Ausrufs.
Ich überlege. Nein, Moment mal, da schwant mir doch etwas.
«Bartha … Der Minister …?»
Steifer atmet erleichtert auf.
«Genau der. Károly Bartha de Dálnokfalva. Und wissen Sie was? Er steigt aus, bleibt vor mir stehen und salutiert, vor so einem dreckigen, stinkenden, zerlumpten Kerl, salutiert lange und schweigend. Und wissen Sie, warum?»
«Um dem Heldenmut des polnischen Soldaten die Ehren zu erweisen?», frage ich süffisant.
Steifer lächelt anerkennend.
«Gut! Aber falsch. Er ist sehr deutschfreundlich, wissen Sie?»
«Warum dann?»
«Weil das mein Kamerad aus der Armee war!», lacht er. «Wir haben zusammen in den Alpen gekämpft. Er war Pionier. Ich habe ihn verwundet aus dem Feuer geholt, den Berg runtergetragen, den halben Berg. Sie haben mich sofort nach Budapest geholt. Jetzt verstehen Sie, warum ich hier nützlich sein kann, mit solchen Beziehungen.»
Ich verstehe.
«Ja. Die haben hier beim Kriegsministerium so einen Bevollmächtigten ernannt, beim Honvéd-Ministerium, wie es heißt. Dembiński haben sie ernannt.»
«General Dembiński?»
«Nein, den gemeinen Korporal Dembiński aus Niederlazisk», lacht er. «Natürlich den General. Aber ich werde das schon deichseln, dass ich hier zum Bevollmächtigten werde. Dann wird sich alles regeln. Und wie seid ihr hergekommen?» Er wechselt das Thema.
«Mit dem Auto.»
«Prima! Das Auto lasst ihr mir hier, ich kann es brauchen. Die Internierungslager sind über ganz Ungarn verstreut, das muss alles abgeklappert werden. Was für ein Wagen ist es?»
«Ein Chevrolet Master. Cabriolet», antworte ich, fast verärgert, als handelte es sich um mein eigenes Auto. Mein eigenes, meinen Olympia haben sie mir ja schon weggenommen, solche wie er. Und jetzt nehmen sie es mir wieder weg. Aber das ist etwas anderes. Nein, das ist das Gleiche. Nur ich bin schon ein anderer.
«Ganz vorzüglich. Nur schade, dass es ein Cabrio ist, der Winter kommt. Aber das Dach wird wohl dicht sein?»
«Ja. Und wie kommen wir dann zurück?»
«Sehen Sie, das ist es gerade. Heute Abend fährt ein deutscher Sonderzug, direkt nach Warschau. Hab ich zufällig erfahren. Ein Zivilzug, die Ungarn lassen keine Militärzüge durch, aber natürlich ist hauptsächlich Wehrmacht darin. Da Sie gute Papiere haben, werdet ihr ohne Probleme durchkommen. Und ich brauche das Auto.»
«Verstehe», sage ich.
«Gut. Wissen Sie, jetzt sitzen wir ja hier schon eine Weile. Vielleicht gehen wir was essen.»
«Ja. Ich bin nur hier mit … Also gewissermaßen …»
Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.
«Sie sind mit einer Frau hier.»
«Nein, nein … Das heißt ja, mit einer Frau, aber es ist nicht … Das heißt, sie ist eine Mitarbeiterin des Ingenieurs, nicht meine Frau … Sie verstehen.»
«Ach. Verstehe. Und wie heißt sie?»
«Die konspirativen Regeln …»
«Hören Sie doch auf.»
«Dzidzia Rochacewicz.»
«Ach, Fräulein Rochacewicz. Dann ist alles klar.»
Ich würde ihn gern fragend ansehen, aber im Dampfbad geht das nicht, wir sitzen nebeneinander und können uns durch die Wolke fast nicht erkennen.
Steifer steht auf.
«Nun, Herr Willemann, ich werde dann gehen.»
«Fräulein Rochacewicz wollte im Centrál Kávéház frühstücken.»
«Meinetwegen. In zwei Stunden», erwidert er und geht.
Und ich, was soll ich tun?
Ich sitze eine Weile da, nehme dann eine kalte Dusche, tauche noch einen Augenblick in das Becken mit heißem Wasser ein, um Steifer nicht im Umkleideraum über den Weg zu laufen, dann hülle ich mich in meinen Bademantel und trete in den Flur.
Wieder der feiste Bademeister, er bietet mir in gebrochenem Deutsch eine Massage an, als
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