Morphogenesis
Monitoren, blinkenden Lämpchen und Leuchtanzeigen. Der Raum war verhältnismäßig groß und auf den ersten Blick leer. Erst als sich meine Augen an das hektische Flimmern der defekten Bildschirme gewöhnt hatten, erkannte ich die über den Boden verstreuten sterblichen Überreste. Sie waren größtenteils skelettiert, abgesehen von einigen Händen und Schädeln, an denen verkohltes Fleisch hing. Acht Tote zählte ich. Eine Explosion musste sie umgebracht und den Raum verwüstet haben, oder ein kurzes, aber sehr intensives Feuer. Viele der Monitore waren erloschen oder implodiert, und die gesamte Einrichtung sah aus, als hätte jemand mit einem Flammenwerfer darüber geleckt. Ein Wunder, dass überhaupt noch das eine oder andere Gerät funktionierte, ganz abgesehen von der Zeit, die seit dem Unglück verstrichen sein musste. Falls das Kraftfeld computergesteuert wurde – und sich daher nur mittels Kommando wieder deaktivieren ließ – stand ich vor einem ernsthaften Problem.
Beim Herumstöbern stieß ich auf eigenartige goldene Zylinder, die aussahen wie Lippenstifthülsen. Unter einer Rußschicht entdeckte ich schließlich Dokumente, die in einer Art Kobe-Maschinenschrift verfasst waren; eingraviert in metallisch schimmerndes Material, so dünn wie Papier. Die Ähnlichkeit mit den in Kolonnen angelegten Reliefwänden, auf die Károly und ich am Djebel Uweinat gestoßen waren, war verblüffend. Obwohl ich die Sprache der Toten inzwischen besser beherrschte, als mir lieb sein konnte, war ich nicht fähig, die Dokumente zu lesen. Schaffte ich es dennoch einige der Wörter zu entziffern, wusste ich nichts mit ihren womöglich wissenschaftlichen Bedeutungen anzufangen. In fast allen Texten fand ich jedoch einen Begriff, der zumeist aus den Hieroglyphenblöcken hervorgehoben war: Paseth.
Eine Weile betrachtete ich die Toten, dann deponierte ich die Dokumente auf einem der Paneele und begann, die Steuerkonsolen nach Datenträgern und Leseeinheiten abzusuchen. Zweiundzwanzig Monitore zählte ich, doch Lesegeräte gab es offenbar nur sechs, allesamt gruppiert unter einem mächtigen flackernden Bildschirm. Ein weiterer, noch größerer Monitor in der Wand gegenüber war teils zersprungen, teils geschmolzen, als hätte jemand mit einer Strahlenkanone darauf geschossen.
Ich sammelte eine Hand voll der goldenen, zylinderartigen Objekte und versuchte, sie in die kleinen runden Löcher zu schieben, die sich in den vermeintlichen Lesegeräten öffneten. Die ersten beiden Vertiefungen waren unter der Hitzeeinwirkung derart verformt, dass ich mich gar nicht erst darum zu bemühen brauchte. Bei der dritten stieß ich auf unnachgiebigen Widerstand. Die vierte nahm eines der goldenen Objekte summend in sich auf. Sekundenlang geschah nichts, dann änderte das Flackern des Monitors seine Farbe. Mit zusammengekniffenen Augen glaubte ich hinter der Bildstörung Bewegungen zu erkennen, fast so, als laufe ein miserabel zu empfangendes Fernsehprogramm. Ich schlug gegen die Mattscheibe, doch an der Qualität der Wiedergabe änderte sich nichts. Aus verborgenen Lautsprechern erklang eine verzerrte Stimme, sprach etwas in einer fremdartigen, abgehackten Sprache und verstummte in einem Rauschen. Nach einigen Sekunden erklang die verstümmelte Ansage erneut. Es hörte sich an, als ob eine erhebliche Anzahl von Lauten verschluckt wurde. Planlos hantierte ich an den Geräten, bis sich der Klang der Stimme glättete und um ein Vielfaches an Lautstärke gewann.
»… geschafft!«, drang das Ende der geheimnisvollen Botschaft aus den Lautsprechern. Ich lauschte, hoffend, dass die gespeicherte Nachricht von dem defekten Gerät in einer Endlosschleife abgespielt wurde. Nach erdrückender Stille sprach eine tiefe Stimme in Kobe: »Nach sechs basah und elf gescheiterten Versuchen mit dem repth haben wir die mehet-berataph verdreifacht. Der … (es folgte ein unverständliches Wort) … Quotient stieg proportional zum gaph der Paseth- Einheiten an, was auf lernfähige … (es folgte eine weitere unverständliche Passage) … vollständige Regeneration eines achtzehn seol schweren Paseth- Verbands geschafft!«
Ich atmete tief durch. Also war dieses Gebäude tatsächlich das, was Byron prophezeit hatte: Der Ort, an dem alles begonnen hatte. Eine mystische Nanozellen-Fabrik. Eine Pseudolebensmaschine.
Ich vermutete, dass der goldene Zylinder noch weitaus mehr Material enthielt, doch das defekte Lesegerät gab nur diese einzelne kurze Botschaft in
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