Morton Rhu - Leben und Werk
verstärkt: Tim möchte sich das Leben nehmen, nachdem der Lehrer Rainer die Welle für beendet erklärt hat. Letzter Ausweg Suizid.
Alle anderen veröffentlichten Darstellungen des Welle- Stoffes bleiben beim psychischen Zusammenbruch des selbst ernannten Leibwächters. Bei Tim wird wie bei keinem anderen Schüler die Diskrepanz zwischen Hingabe an die totalitäre Sache und der zu spät folgenden Einsicht deutlich, wie gefährlich und moralisch falsch der Versuch ist, Menschen gleichzuschalten. Zudem regt die Dramatisierung von Tims Schicksal im Film den jungen Zuschauer verstärkt dazu an, über Präventivmaßnahmen nachzudenken, die er vielleicht in seiner eigenen schulischen Umgebung umsetzen könnte.
Was bedeutet es, wenn gerade der Außenseiter einer sozialen Gruppe besonders anfällig für faschistisches Gedankengut ist? Das Gefühl von Minderwertigkeit und sozialer Unterlegenheit bietet eine ideale Grundlage für das Annehmen einer faschistischen Ideologie, da sie mit Idealen der Gleichheit und Zugehörigkeit schlicht Hilfe für den oder die Betroffenen bietet. Durch Tims Rolle in der Welle wird ein gerade an Schulen häufig auftretender sozialer Missstand betont, und es wird aufgezeigt, dass solche alltäglichen sozialen Schieflagen durchaus etwas zu tun haben mit der »unvorstellbaren« Herausbildung eines faschistischen Gesellschaftssystems. Der Suizidversuch nimmt dem Zuschauer die Möglichkeit zur Verharmlosung, im Gegenteil: Er zwingt zum Nachdenken.
Morton Rhue und auch Ron Jones, der bei der Filmpremiere anwesend war, halten dieses Finale für geglückt. Ich will von Morton Rhue wissen, wie er den Zusammenhang zwischen Literatur und Realität, zwischen Film und Wirklichkeit hinsichtlich der Gefahr von Nachahmungstätern sieht. Können literarische Bücher und anspruchsvolle Filme zum Töten verführen? Ich erwähne den Attentäter John Lennons, der vor und nach dem Mord J.D. Salingers »Der Fänger im Roggen« las. Auf meine Frage antwortet Rhue: »Ja, Mark David Chapman trug das Buch bei sich und als man ihn festnahm, las er darin. Aber bei Salinger findet kein Mord statt. Die Verbindung zwischen der Gewalttat und der Literatur existiert wohl nur im Kopf des Mörders. Ich finde, dass Dennis Gansel eine hervorragende Arbeit geleistet hat mit seiner Welle. «
Graphic Novel
Die 1971 geborene Stefani Kampann studierte Innenarchitektur und Theater-Design in Hannover und Nottingham. Sie besuchte Seminare bei namhaften Comic-Zeichnern und realisierte »Die Welle« als Graphic Novel nach dem Roman von Morton Rhue. Auf ihrer Webseite zitiert Kampmann zwei zentrale Sätze aus dem Roman: »Faschismus ist nicht etwas, was nur andere Menschen betrifft.« Und: »Faschismus ist hier mitten unter uns und in jedem von uns.« 2007 erschien ihre Adaption von »Die Welle«, und weil der Erfolg groß war und ist, folgte 2011 »Asphalt Tribe«. Dieses Interview entstand im November 2011 und zeigt, mit welchem Engagement Kampmann Rhues Stoffe bearbeitet und in eine neue Form gebracht hat.
Nicola Bardola: Wie kam es zur Idee, »Die Welle« als Graphic Novel zu veröffentlichen?
Stefani Kampmann: Die Idee stammte vom Ravensburger Buchverlag. Dort wollte man eine Graphic Novel ins Programm nehmen und befand »Die Welle« als geeignetes Material. Da mein Stil gut passte und ich von der Idee angetan war, kamen wir zusammen.
Nicola Bardola: Wie haben Sie sich für dieses Projekt vorbereitet?
Stefani Kampmann: Da es mein Debüt war, beschäftigte ich mich vorerst intensiv mit der Theorie der Dramaturgie und wie man überhaupt einen Roman in einen Comic umwandelt. Hierfür hatte ich ganz tolle Hilfe von einem befreundeten Comic-Autor. Die Bildrecherche lief in erster Linie über das Internet und amerikanische Kleinstadt-Filme.
Nicola Bardola: Welche Rolle spielte Morton Rhues Buchvorlage im Vergleich zu den Verfilmungen, Theaterstücken oder zu Ron Jones’ Bericht?
Stefani Kampmann: Vorgabe war von vornherein vom Verlag, sich nah an den Roman zu halten. Damit ich mich nicht von meinen eigenen Vorstellungen der Roman-Adaption abbringen lasse, habe ich den Film und auch den Original-Bericht von Ron Jones erst gelesen, als mein Szenario festgelegt war. Ich wollte mich im Vorfeld nicht beeinflussen lassen, habe jedoch alles im Nachhinein geprüft und falls notwendig Details überarbeitet.
Nicola Bardola: Wie haben Sie den Stoff strukturiert?
Stefani Kampmann: Wie Bild und Text im Comic allgemein zusammen funktionieren,
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