Moskito
weisen. Wir müssen unbedingt Blutproben der Angehörigen der Opfer nehmen, der Nachbarn, der Geschäftspartner. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit: ein zweiter Wirt, der den Parasiten zwischen den Fortpflanzungszyklen der Anophelesmücke aufnimmt und versorgt.«
»Möglich«, sagte Susan Muscato gedankenverloren. Sie war Mitte Vierzig und sah immer noch wie eine Sportlerin aus: kräftig gebaut, in erstklassiger Verfassung, kein Gramm zuviel, das ihr bei ihrem Tempo hinderlich sein könnte. »Die Wanderung von Parasiten von einer Spezies zu einer anderen haben wir ja schon erlebt, aber nur unter Primaten und nie mit einer Varietät von P. falciparum. Außerdem kommen Menschenaffen und Gibbons in Manhattan, wo Reading zusammengebrochen ist, eher selten vor.«
»Es müssen ja keine Gibbons sein«, sagte Joe. Melanie merkte, daß er nicht nur hartnäckig sondern auch humorlos war: ein großes Plus als Teammitglied, ansonsten ein Minus. »Oder irgendein anderer Primat. Aber ich denke, es könnte durchaus einen zweiten Wirt geben.«
Gary Pershing, der Labor-Mann, bemerkte plötzlich: »Die DNA-Homologie von P. falciparum ähnelt stärker jener von Malaria-Parasiten bei Vögeln als jener von Affen.«
»Es gibt nur einen Weg«, erklärte Farlow. »Wenn wir in Maryland sind, müssen wir Blutproben von Menschen ohne Sichelzellenanlage nehmen, die sich an denselben Örtlichkeiten aufgehalten haben wie die Opfer. Und anschließend bei allen eingehende Befragungen durchführen.«
»Aber wenn das zu nichts führt«, sagte Gary, »sollten wir einen Blick auf die Vögel werfen. Lieber Himmel, Maryland ist derart reich an Spezies …«
Melanie konnte nicht anders. Sie hatte zwar vorgehabt, bis zum Ende des Meetings zu schweigen und nur zuzuhören, aber nun brach das Wort einfach aus ihr heraus: »Vögel!«
»Nein, ich sehe auch keine Möglichkeit, wie es Vögel als Alternativwirt benutzen könnte«, stimmte Susan ihr zu – oder dachte wenigstens, sie würde ihr zustimmen. »Alle Arten von Vogelmalaria verwenden Culex- Moskitos als Vektoren, nicht Anopheles. Die dafür bei Rindern oder Schweinen häufiger Überträger sind.«
»Wir wollen keine vorschnellen Schlüsse ziehen, bei gar nichts«, sagte Farlow und sah Melanie direkt an. »Wir wollen Schritt für Schritt vorgehen. Gary, Sie hatten zwei Tage für die Blutproben des Senators. Was können Sie uns darüber sagen?«
Pershing schüttelte langsam den Kopf, und Melanie hätte schwören können, daß es sich dabei um eine bewundernde Geste handelte. »Allerhand, was da dahintersteckt. Das ist natürlich nur ein vorläufiger Bericht, aber es scheint hier drei Veränderungen des normalen P. falciparum zu geben. Zum ersten haben die Merozoiten ein Oberflächenpeptid, das sich nur an einen Rezeptor an der Oberfläche einer Zelle mit Hämoglobin-S koppelt. Ich habe bisher weder das Peptid noch den Rezeptor gefunden, aber ich bin fast sicher, daß der Vorgang so abläuft. Die Oberfläche von Sichelzellen unterscheidet sich in so vielfältiger Weise von normalen: in ihrer Klebrigkeit, in der Aufnahme und Abgabe von Sauerstoff und in vielem anderem.
Zum zweiten: sobald sie in eine Zelle eingedrungen sind, bilden die veränderten Parasiten Verdickungen, die sich lieber an den Wänden von Blutgefäßen im Gehirn festsetzen als an den Wänden anderer Blutgefäße. Also wandern die infizierten Blutkörperchen ins Gehirn.
Zum dritten: wenn sie dort angekommen sind, scheiden sie etwas aus – oder tun etwas –, das zu einer Kontraktion des Blutgefäßes und einer Verklumpung des Blutes führt. Ich tippe auf ein Protein, das sich an das Stickoxid, verantwortlich für die Gefäßerweiterung, bindet. Aber der Nachweis hiefür fehlt mir noch. Wie auch immer, das Resultat ist ein großes, sich rasch bildendes Blutgerinnsel in verengten Adern im Gehirn.«
»Und ein tödlicher Gehirnschlag«, sagte Susan.
»Und ein tödlicher Gehirnschlag«, bestätigte Gary und nickte. »Aber nur bei Menschen, die Sichelzellen im Blut haben. Die bei einigen mediterranen Völkern zu finden sind, bei manchen Indern. Aber in erster Linie bei Schwarzen.«
Da lag es nun auf dem Tisch. Keiner sprach, bis Joe Krovetz sagte: »Noch etwas, das ich nicht kapiere.«
»Ja?« fragte Farlow.
»Wenn nur Schwarze von dieser Krankheit bedroht sind, was macht dann eigentlich Melanie bei unserem Team? Ich meine, das soll keine Beleidigung sein, Melanie, aber Sie sind doch in weitaus größerer Gefahr als der
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