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Moskito

Moskito

Titel: Moskito Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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sie nicht unglücklich, daß seine massive Männergestalt neben ihr hertrottete.
     
    Judy hatte dem Jungen eine Abfuhr erteilt.
    Er hatte sie unmittelbar nach Robert angerufen, als sie sich immer noch wie gelähmt fühlte. Robert, den sie gehofft hatte, eines Tages zu heiraten. Der bei seiner Exfrau wohnte und ihr, Judy, sagte, er würde kommen, wenn er, verdammt noch mal, Lust dazu hätte, und der sie behandelte, wie Ben sie einst behandelt hatte. Robert, der ihre Chance gewesen war, neu anzufangen, wieder zu lieben, es diesmal, bitte, bitte, lieber Gott, das Richtige sein zu lassen! Robert.
    Nach dem Auflegen hatte sie dagesessen und das Telefon angestarrt, als wäre es etwas Lebendiges. Irgendwie konnte sie nicht glauben, daß alles vorbei war. War es vorbei? Wollte Robert sie immer noch haben?
    Beim neuerlichen Klingeln des Telefons hatte sie den Hörer hochgerissen und so tiefe Dankbarkeit verspürt, daß sie den Tränen nahe gewesen war. »Robert?«
    »Nein, Madam.« Eine fremde Stimme. Ein langgezogener, südlicher Klang. »Hier spricht Earl Lester, Madam. Könnte ich bitte mal mit Agent Cavanaugh reden?« Bei den letzten Worten war seine Stimme umgekippt, und Judy hatte gemerkt, daß sie mit einem Jungen im Teenageralter sprach.
    »Er ist … nicht hier«, hatte sie gesagt, und nun war ihre eigene Stimme auf eine Weise umgekippt, die sie haßte. Würde Robert je wieder hier sein? War er für immer ausgezogen? Was war los?
    »Könnten Sie mir dann vielleicht sagen, wo ich ihn erreiche?«
    »Nein, tut mir leid. Tut mir … leid.« Und sie hatte aufgelegt.
    Zehn Minuten lang war sie zu keiner Bewegung fähig gewesen. Dann hatte sie versucht, sich zusammenzureißen, sich normal zu benehmen, ein wenig zu arbeiten. Das war es – Arbeit! Das predigten doch diese feministischen Filme so beharrlich: Männer kamen und gingen, aber du hast immer noch deine Arbeit!
    Sie starrte auf den Computerschirm mit dem ersten Entwurf eines Artikels über linksdrehende Moleküle für Science Today. Nach fünf Minuten änderte sie ein Wort. Nach weiteren fünf Minuten ein zweites. Es klingelte an der Tür.
    »Ich bin Earl Lester, Madam. Es is’ wegen Agent Cavanaugh.«
    »Ich sagte dir doch, er ist nicht hier!«
    »Ja, Madam. Aber ich dachte, dann warte ich mal eben, bis er zurückkommt.« Der Junge blinzelte zweimal. Er war groß, dürr wie ein Gerippe und von Kopf bis Fuß bleich wie schmutzige Sahne – Haut, Haar, T-Shirt. Sogar seine Augen hatten diese ausgewaschene Farbe irgendwo zwischen blaßblau und blaßgrau. Wenn er mit den Augen blinkte wie eben jetzt, sah er aus wie ein Kaninchen.
    Judy sagte – zu barsch, du liebe Güte, sie redete zu einem Kind! –: »Sinnlos, auf ihn zu warten, Earl. Agent Cavanaugh kommt nicht zurück.«
    Zweimaliges Blinzeln. »Is’ er Ihnen abgehauen?«
    »Also, ich glaube nicht, daß dich das etwas angeht!«
    »Nein, Madam. War nur freundlich gemeint. Mein Pa is’ Mama schon vier-, fünfmal abgehauen. Der kommt immer zurück. Früher oder später.«
    Mein Gott, der Junge versuchte, sie zu trösten! Dieser ungelenke, sonderbar aussehende Junge … Es war rührend. Und ganz plötzlich fühlte Judy sich besser. Zur Hölle mit Robert! Entweder würde er zurückkommen oder nicht. Sie würde sich weder vom einen noch vom anderen verrückt machen lassen!
    »Vielen Dank, Earl. Wenn du möchtest, kann ich dir Agent Cavanaughs jetzige Telefonnummer geben.«
    »Das wär nett.«
    Sie gab ihm nicht nur Marcys Nummer sondern auch Marcys Adresse. Mit etwas Glück würde der Junge Robert und Marcy in irgendeinem kritischen Moment unterbrechen.
    »Vielen Dank, Madam.« Earl ging ohne Hast – Judy hatte den Eindruck, dies war sein einziger Fortbewegungsmodus – über den Gartenweg davon und verschwand hinter den Büschen. Judy sah weder ein Rad noch ein Auto. Er mußte zu Fuß gekommen sein.
    Sie hob die Schultern und ging zurück zum Computer. Den Rest des Nachmittags zwang sie sich dazu, all ihre Gedanken auf linksdrehende Moleküle zu konzentrieren. Am Abend putzte sie das Haus, jätete Unkraut im Garten, bügelte einen Rock, stellte ein paar Möbel um – mit einem Wort, sie versuchte alles, um so müde zu werden, daß die Möglichkeit bestand, gleich einzuschlafen. Daß sie nicht allein wachliegen und sich fragen mußte, wo er war und was er tat. Nur das nicht.
     
    SOWJETISCHE UNTERGRUNDBEWEGUNG AUS HARDLINERN FÜR SCHAFFUNG VON MALARIA READING VERANTWORTLICH, BEHAUPTET GRUPPE VON

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