Mount Dragon - Labor des Todes
erkennen.«
»Moment«, sagte de Vaca und hob die Hand. »Das Große Kiva war doch die heilige unterirdische Zeremonienkammer der Anasazi-Indianer. In der Mitte davon befand sich ein Loch, das >Sipapu< hieß und das ihre Welt mit dem Geisterreich unter der Erde verband. Sie nannten dieses Reich die Vierte Welt, während wir Menschen in der Fünften Welt leben.«
»Das weiß ich auch«, sagte Carson. »Aber trotzdem sehe ich darin keinen geheimen Hinweis.«
»Lesen Sie das Gedicht noch einmal. Wenn das Kiva mit Sand gefüllt ist, wie kann dann das Sipapu offen sein?« Carson sah sie an. »Da haben Sie recht.« De Vaca grinste ihn an. »Endlich sagen Sie mal etwas Vernünftiges, cabron.«
Weil sie rechtzeitig für die Notfallübung am Abend wieder dasein mußten, beschlossen sie, für den Weg hinaus zur Ruine die Pferde zu nehmen. Es war kurz nach Mittag, die heißeste Zeit des Tages.
Carson sah zu, wie de Vaca den Appaloosa mit dem wenig behaarten Schweif sattelte. »Ich nehme an, daß Sie schon mal geritten sind«, sagte er.
»Verdammt richtig«, entgegnete sie, zog den Sattelriemen fest und hängte ihre Feldflasche ans Sattelhorn. »Oder meinen Sie, das wäre ein Privileg von euch Angloamerikanern? Ich hatte schon als kleines Mädchen mein eigenes Pferd. Sein Name war Barbarian. Es war ein Spanischer Berber, ein Pferd, wie es bereits die Konquistadoren hatten.«
»Nie davon gehört«, sagte Carson.
»Es sind die besten Wüstenpferde, die man sich nur vorstellen kann. Klein, kräftig und zäh. Mein Vater hat ein paar davon aus der alten spanischen Herde auf der Romero-Ranch gekauft. Diese Pferde sind nie mit englischstämmigen Pferden gekreuzt worden. Der alte Romero erzählte immer, daß er und seine Vorfahren jeden verdammten Gringo-Hengst erschossen haben, der ihren Stuten zu nahe kam.« Sie lachte und schwang sich in den Sattel. Carson gefiel es, wie sie auf dem Pferd saß: gut ausbalanciert und entspannt.
Auch er stieg auf. Gemeinsam ritten sie zum Tor im Zaun, gaben ihren Code ein und trabten auf Kin Klizhini zu, das in etwa drei Kilometern Entfernung vor ihnen lag. Zwei Mauern der alten Ruine ragten aus dem Wüstenboden hervor, daneben lagen mehrere Schutthaufen.
De Vaca hielt den Kopf schräg und schüttelte ihre Haare aus. »Trotz allem, was hier an Schlimmem vorgefallen ist: Die Landschaft finde ich nach wie vor wunderschön«, sagte sie zu Carson, der neben ihr ritt.
Er nickte. »Als ich sechzehn Jahre alt war«, sagte er, »habe ich einmal den Sommer auf einer Ranch am Nordrand der Jornada-Wüste verbracht. Sie hieß Diamond Bar.«
»Tatsächlich? Ist die Wüste dort oben auch so wie hier?«
»Ähnlich. Je weiter man nach Norden kommt, desto mehr nähert man sich dem Fra-Cristobal-Gebirge. Weil sich dort die Wolken stauen, fällt etwas mehr Regen, und die Wüste ist ein wenig grüner als hier.«
»Was haben Sie auf der Ranch gemacht? Als Cowboy gearbeitet?«
»Richtig. Nachdem mein Dad unsere Ranch verloren hatte, habe ich mich mit Cowboyjobs durchgeschlagen, bis ich aufs College gehen konnte. Die Diamond-Bar-Ranch ist ziemlich groß und hat etwa vierhundert Parzellen zwischen den San Pascual Bergen und der Sierra Oscura. Die richtige Wüste beginnt erst am Südende der Ranch, hinter einer schmalen Schlucht zwischen einem Lavafeld und dem Fra-Cristobal-Gebirge, die Lava Gate genannt wird. Früher ging da mal die alte spanische Wüstenstraße durch.« Carson lachte. »Für uns war das Lava Gate wie das Tor zur Hölle. Wenn man es nach Süden durchritt, wußte man nicht, ob man jemals wiederkommen würde. Und jetzt bin ich im Süden, mittendrin in dieser Wüste.«
»Meine Vorfahren sind 1598 mit Onate diesen Weg hinaufgeritten.«
»Hinauf!« fragte Carson. »Durch die Jornada-Wüste?« De Vaca nickte und sah blinzelnd in die Sonne. »Wie haben sie sich denn mit Wasser versorgt?«
»Schauen Sie mich nicht so zweifelnd an, cabron. Mein Großvater hat mir erzählt, daß sie an der letzten Wasserstelle bis Einbruch der Dunkelheit gewartet und dann ihr Vieh die ganze Nacht hindurch weitergetrieben haben. Um vier Uhr früh machten sie Rast. Ein Apache zeigte ihnen eine Quelle, die Oj'o de Aguila hieß, die Adlerquelle. Heute weiß niemand mehr, wo sie war.«
Schon seit längerer Zeit hatte Carson seiner Assistentin eine bestimmte Frage stellen wollen, sich bisher aber noch nicht getraut. »Woher kommt eigentlich der Name Cabeza de Vaca?« De Vaca sah ihn herausfordernd an. »Und woher kommt
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