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Mount Maroon

Mount Maroon

Titel: Mount Maroon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ethan Bayce
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aussehende Frau in den späten Vierzigern begeistert in die Hände.
    - „Bravo, Bravo!“ Und dann mit einem Blick auf den strahlenden Mr. Dick: „
Le roi s’amuse.“
    Sieger und Besiegte gingen an Land, umarmten einander, klatschten sich ab, vermischten sich und nahmen, nachdem sie sich am Buffet mit Speisen und Getränken eingedeckt hatten, an den vier langen Tischreihen Platz, die im Garten aufgebaut waren. Es war ein ausgelassener Abend, an dem Peter viele der Studenten und Mitarbeiter von Mr. Dick kennenlernte. Erst als die Dämmerung einsetzte, machten sie sich mit den Booten auf den Heimweg über die Bay. Allerdings war das Tempo in Anbetracht der vollen Mägen jetzt deutlich gemütlicher als auf dem Hinweg. Peter blieb zusammen mit seinen Gastgebern auf der Wiese vor dem Haus sitzen und genoss mit einem Weinglas in der Hand den Sonnenuntergang.
    - „Sie haben ein sehr schönes Haus.“
    - „Wir haben es vor ein paar Jahren gemietet. Was heißt gemietet … Eigentlich könnten auch wir es uns nicht leisten, hier zu wohnen, aber ein Freund überlässt es uns für einen … ja ich will fast sagen, symbolischen Betrag. Er ist sehr wohlhabend und … nun ja … ich glaube, er wollte uns einfach in seiner Nähe haben, hehehe.“
    Mrs. Dick entschuldigte sich. Sie müsse morgen sehr früh zum Flughafen, da sie in Montreal einen Vortrag halte. Sie hatte sich bereits zuvor längere Zeit mit Peter unterhalten und ihm das Gästezimmer angeboten. Scheinbar kam es nicht selten vor, dass Besucher über Nacht blieben. Mr. Dick sah Peter an und lächelte.
    - „Hat Ihnen unser Wettrennen gefallen?“
    - „Puh, ja, ich denke schon, aber es war die anstrengendste Bootspartie meines Lebens.“
    - „Und das war nur eine Trainingsfahrt. Wenn Sie wollen, können Sie nächsten Monat mitmachen, wenn wir gegen die Medizinische Fakultät in Boston antreten.“
    - „Ich überlege es mir noch, okay?“
    - „Heute lag unser Boot ein paar Meter vorne, aber es hätte genauso gut anders sein können. Wir fahren regelmäßig gegen die Soziologen, manchmal gewinnen wir, manchmal die anderen. Es hält sich die Waage. Vor dem Start ist das Rennen damit unentschieden.“
    Peter hätte diese Aussage mit einer flapsigen Bemerkung aushebeln können, war aber sicher, dass Mr. Dick einen tiefer liegenden Gedanken verfolgte.
    - „Sehen Sie Peter, wenn zwei in etwa gleich starke Teams gegeneinander antreten, so liegt die Wahrscheinlichkeit eines Sieges der einen wie der anderen Partei bei jeweils 50 Prozent. Am Ende hat aber nur eine Mannschaft gewonnen. Wenn das Rennen nun beendet ist, eine außenstehende Person aber keine Kenntnis von seinem Ausgang hat, könnte sie dann sagen, Mannschaft A habe zu 50 Prozent gewonnen? Nein, denn es gibt keinen fünfzigprozentigen Sieg. Man gewinnt oder man verliert. In der Wissenschaft ist man da oft weniger zimperlich. Wenn etwas nicht entscheidbar ist, sagt man zu soundso viel Prozent ist es so und zu soundso viel Prozent ist es anders. Und eine solche Aussage gilt tatsächlich als wahr. Kennen sie Schrödingers Katze?“
    Die Frage schien einen Themenwechsel auszulösen, beabsichtigte aber vielmehr, Peter eine Brücke in eine neue Welt zu bauen.
    - „Ich kenne nicht einmal Schrödinger.“
    Mr. Dick schmunzelte. Peters Humor gefiel ihm, sie lagen auf einer Wellenlänge. Das Problem lag auf Seiten der Wissenschaft. Es war ihre Unfähigkeit, Sachverhalte der Wirklichkeit auch nur halbwegs befriedigend aufdecken zu können, geschweige denn zu erklären. Die Menschen scherten sich einen Dreck um die Heisenbergs, die Schrödingers, die Bohrs und die Lawrences. Und sie taten größtenteils recht daran. Dennoch war da ein Unbehagen. Peters Geschichte hatte Mr. Dick nachdenklich gemacht, ihn weit hinausgeführt auf das dünne Eis der Erkenntnis. Doch langsam, eins nach dem anderen.
    - „Erwin Schrödinger war einer der größten Physiker überhaupt. 1933 erhielt er den Nobelpreis. Aber er war in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswerter Mensch. Nicht nur, dass er mit der nach ihm benannten Gleichung eine der Grundlagen der Quantenmechanik legte. Er war auch ein entschiedener Gegner des Nazi-Regimes, weswegen er gleich zweimal seine österreichische Heimat verließ.“
    Peter wusste, dass es nicht um Schrödingers Biographie ging. Er blickte über die Bay und wartete auf das, was Mr. Dick eigentlich sagen wollte. Die Sonne war nun fast vollständig untergegangen. Der Himmel hatte eine orangerote Färbung

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