Mr Monster
auf und bringe dich nach draußen.« Dann richtete ich mich weiter auf, und sie fauchte zum dritten Mal, lauter als vorher. »Hör mal, gleich steht das ganze Gebäude in Flammen, und da willst du doch nicht mehr hier sein, oder? Du weißt nicht, was Feuer ist, aber es ist sehr gefährlich und böse.«
Ich richtete mich noch höher auf, die Katze machte einen Buckel und sträubte die Haare. Aus der Nähe erkannte ich die vertraute Zeichnung einer Hauskatze, doch ich entdeckte noch etwas anderes, etwas Tieferes. In ihrem Innern brannten auf einmal Spuren von Leopard und Tiger, das wiedererwachte Erbe der Katze. Woher sie auch gekommen war und in welcher Zivilisation sie gelebt hatte, es zählte nicht mehr. Das Wesen, das mich anfauchte, war ein wildes, gefährliches Tier.
Ich blieb reglos stehen und betrachtete ihr Gesicht, als wäre es ein Wunschbrunnen. Wieder fauchte sie und duckte sich, als wolle sie gleich springen.
Ich wich zurück.
Das sollte ich nicht tun. Ich gestattete mir, eine Regel zu brechen – etwas verbrennen, wenn ich ein Ventil brauchte –, doch dies ging zu weit. Die anderen Regeln durfte ich auf keinen Fall missachten, und wenn ich diese Katze berührte, würde sie mich angreifen. Ich würde mich wehren, und wenn ich ihr dabei wehtat, hätte ich meine wichtigste Regel gebrochen. Das durfte nicht passieren, ich musste sofort aufhören.
Gereizt und müde sprang ich vom Fass hinunter. Mir war ein wenig schwindlig, und ich setzte mich auf einen Bretterstapel, um wieder zu Atem zu kommen. Ich würde niemandem wehtun.
Ich würde auch nichts verbrennen.
Die ganze Anspannung war noch da – die Wut, die Angst, die Verzweiflung –, doch ich konnte mich nicht abreagieren. Nicht so. Es war zu ungezügelt und hemmungslos. Irgendwo in meinem Innern wollte ich die Katze sogar zu einem Angriff provozieren, damit ich einen Vorwand hatte, ihr etwas anzutun. Doch ich durfte mich nicht so weit gehen lassen und ihr Schmerzen zufügen. Es wurde allmählich zu gefährlich, meine Anspannung in sicheren kleinen Dosierungen auf diese Weise abzubauen. Es musste doch einen besseren Weg geben. Jedenfalls konnte ich den Druck nicht ewig aushalten. Andererseits war es natürlich auch nicht möglich, sämtliche Schleusen zu öffnen und es unkontrolliert laufen zu lassen. Es musste irgendeinen Mittelweg geben.
Ich brauchte einen neuen Dämon.
So gut wie im Winter, auf der Jagd nach dem Dämon, der in meiner Heimatstadt umging, hatte ich mich noch nie gefühlt. Ich hatte ein Ziel und eine Aufgabe gehabt, die meinem Leben einen Sinn verliehen hatte. Da hatte ich Mr. Monster von der Leine gelassen und deshalb zum ersten Mal seit Jahren mit mir selbst im Frieden gelebt. Der Dämon war schon lange tot, und damit hatte ich mein psychisches Ventil verloren.
Langsam verließ ich das Lagerhaus. Ich atmete bewusst ruhig und gleichmäßig durch. Wir hatten ein neues Opfer, doch bisher gab es noch keinen Mörder, den ich jagen konnte. Der Täter war auch nicht unbedingt ein Serienkiller, sondern vielleicht nur ein betrunkener Ehemann oder ein eifersüchtiger Freund …
Ein eifersüchtiger Freund. Forman hatte gesagt, der Körper sei mit kleinen Wunden bedeckt gewesen – Stichen, Kratzern, Verbrennungen, Blasen und wer weiß was noch alles. Ein eifersüchtiger Freund hätte so etwas leicht tun können. Ein eifersüchtiger Freund, der keine Achtung für Frauen empfand und sie wie Dreck behandelte. Ein Mann, der keine Probleme damit hatte, einer Frau Schmerzen zuzufügen.
Ich wusste genau, wo ein solcher Mann zu finden war.
Natürlich war das sehr unwahrscheinlich, aber immer noch besser als nichts. Es war ein klares, erreichbares Ziel: den Mann beschatten, der vielleicht der Mörder war, um herauszufinden, ob sich der Verdacht bestätigte. So konnte ich weiterleben wie bisher und zugleich Mr. Monsters Bedürfnisse befriedigen, ohne meine eigenen zu gefährden.
Es war an der Zeit, Curt erheblich besser kennenzulernen.
SECHS
Das Opfer wurde schließlich als Victoria Chatham identifiziert. Da sie nicht zum Einbalsamieren zu uns gebracht wurde, bekam ich auch keine Gelegenheit, die Leiche und die Verletzungen zu untersuchen. Daher konnte ich auch nicht aus erster Hand etwas über den Mann erfahren, der ihr die Wunden beigebracht hatte, und musste mit meinen Nachforschungen über den Mörder anderswo ansetzen.
Da die Ferien erst in einigen Wochen beginnen würden, bedeutete anderswo ein eher einseitiges Gespräch mit Max in der
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