Mr Nanny
jemanden zu überfahren und Fahrerflucht begehen zu müssen.
Tony’s, ein nostalgisches Dreißigerjahre-Diner, stand etwas von der Straße zurückgesetzt zwischen schmucken, einladenden Backsteinreihenhäuschen. Etwa fünfzehn Leute standen vor dem Gebäude in Grüppchen zusammen, rauchten, lachten und plauderten. Peter hatte gesagt, dass der Besitzer, ein Freund von ihm, die Bar erst ab achtzehn Uhr fürs normale Publikum öffnen würde. Drei hübsche Mädchen Ende zwanzig standen rauchend beieinander. Sie trugen Khakihosen oder Jeans, dicke Pullis und lange Schals, die sie mehrmals um den Hals gewickelt hatten. Eine Schönheit, die ich auf Anfang vierzig schätzte, lehnte an der Wand und unterhielt sich mit zwei stoppelbärtigen Männern Mitte dreißig, die Baseballkappen aufhatten. Die beiden sahen aus, als hätten sie das Skript zu South Park geschrieben. Die Frau trug Jeans, hochhackige Stiefel, einen dicken weißen Pulli und darüber eine silberne Daunenjacke, dazu dicke Silberohrringe. Ein türkisfarbenes Barett hielt ihre dunkle, lockige Haarmähne im Zaum.
Ein gutaussehender Marlboro-Typ, etwa Anfang sechzig, saß auf einem Klappstuhl vor dem Restaurant. Er trug eine abgewetzte Schaffelljacke. Die letzten Strahlen der Wintersonne fielen auf die Krempe seines zerfransten braunen Cowboyhuts. Er blickte mir erwartungsvoll lächelnd entgegen, beobachtete, wie ich in meinen hochhackigen Stiefeln heranstolperte, mich regelrecht von dem aufgeregten Dylan ziehen ließ. Der Mann machte keinen Hehl aus seiner Begeisterung, und ich konnte nicht anders, ich grinste zurück. Keiner sollte glauben, dass ich nicht hierherpasste. Ich hatte mir extra Mühe mit meiner Kleidung gegeben, da ich nicht wie eine Upper-East-Side-Matrone aussehen wollte: enganliegender schwarzer Pulli mit V-Ausschnitt, riesige Reifohrringe, Lederjacke und meine besten Jeans. Ich hatte nur ungefähr zwanzig Outfits durchprobieren müssen, um mich für dieses hier zu entscheiden. Dylan packte meine Hand, zog die Tür auf und zerrte mich energisch hinein, wo uns laute Musik entgegenschallte.
I’m all out of love, I’m so lost without you
I know you were right believing for so long
Der vordere Teil des Raums wurde von einer großen, offenen, runden Bar dominiert; dahinter ging es durch einen breiten Durchgang in den von nackten Backsteinwänden umgebenen Speisebereich. Peter - er war mir sofort ins Auge gesprungen - sah uns nicht hereinkommen. Er stand lässig an eine Wand gelehnt und unterhielt sich angeregt mit einer zierlichen kleinen Frau mit einem frechen Kurzhaarschnitt. Sie trug eine weiße Kordhose, Cowboystiefel und eine verspielte rosa Rüschenbluse, die vorne ziemlich weit offen stand. Um ihren Hals hing an einem schwarzen Samtbändchen ein mit Strasssteinen besetztes Kreuz. Sie sah britisch hip aus, nicht amerikanisch hip, als wäre sie die beste Freundin von Sienna Miller oder Gwyneth Paltrow. Es ärgerte mich, dass sie viel schönere Beine hatte als ich. Als wir auf dem Belvedere Castle saßen, hatte Peter mir anvertraut, er habe in New York noch keine interessanten Mädchen kennen gelernt, doch diese hier schien er ausgesprochen interessant zu finden. Ich kam mir vor wie die Heldin aus einem Jane-Austen-Roman, die zu einem Ball erschienen war, nur um feststellen zu müssen, dass sich ihr Schwarm in jemand anders verguckt hatte.
»Mom, da ist Peter!«, krähte Dylan und zerrte mich in Richtung seines Manny.
»Schätzchen, lass Peter doch mit seiner Bekannten reden. Wir gehen später zu ihm hin.«
»Ist das seine Freundin ?«, fragte er mit großen Augen.
»Ich glaube nicht, dass er eine hat.«
»Hat er doch!«
»Was?«
»Ich hab gesagt, er hat eine Freundin.«
»Wo ist sie?« Ich schoss einen erbosten Blick in die Runde.
»Weiß nicht. Aber ich glaube, sie liebt ihn nicht.Vielleicht ist sie das.«
»Dylan, woher weißt du das?«
»Mensch, Mom, nur die Ruhe. Frag ihn doch! Okay?«
Gwyneth Paltrows beste Freundin sah aus, als würde sie reihenweise Männerherzen brechen.
»Dylan!« Peter entschuldigte sich bei der Schönheit, die sich umwandte, um mit ein paar Bekannten zu plaudern. Da sah ich, dass ihr Po so winzig war, dass Peter ihn mit einer Hand hätte umfassen können. Biest.
»Wirklich toll, dass ihr gekommen seid!« Peter tauschte einen High Five mit Dylan und gab mir, zum ersten Mal, seit wir uns kannten, einen Kuss auf die Wange. Dabei berührte er meinen Arm. Und ließ ihn nicht mehr los. Ich merkte, wie mir
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