Mr. Postman
Kopf, ohne ihn vom Kissen anzuheben. Sie musste zu sich kommen und sich fangen können. Glenda hatte vor, ihr Fragen zu stellen, und dabei musste sie behutsam vorgehen. Sie durfte die Frau, die noch immer litt, nicht schocken.
Zuerst fragte sie etwas anderes. »Möchten Sie etwas trinken, Lilian?«
»Ja, will ich. Wie heißen Sie eigentlich?«
Das hatte sie wieder vergessen, und so sagte Glenda ihren Namen.
»Ja, stimmt, Sie waren hier.«
»Richtig. Ich hole Ihnen Saft - okay?«
»Ja, das ist gut.«
Es dauerte nicht lange, und Glenda kehrte zurück. Sie war überrascht, denn Lilian hatte sich aufgesetzt. Das Haar war jetzt gelöst. Es fiel bis weit über ihr Gesicht. Sie strich es zurück und fuhr dabei über ihre Haut.
»Ich fühle mich noch schwindlig, Glenda. Es ist alles so schrecklich. Zugleich komme ich mir dumpf vor. Ich habe was Fürchterliches erlebt. Ich möchte schreien, wenn ich daran denke, aber ich weiß nicht einmal genau, was es gewesen ist.«
»Das wird sich alles richten, Lilian, machen Sie sich da keine Sorgen.«
Sie sagte nichts und nahm Glenda das Glas aus der Hand. Sehr langsam trank sie den Saft, und Glenda ließ die Frau dabei nicht aus der Kontrolle. So sah sie auch, dass sich der Ausdruck in den Augen veränderte. Lilian Evans wirkte wie jemand, die sich negativ an ein bestimmtes Ereignis erinnerte. Das leere Glas rutschte ihr beinahe aus den Händen. Glenda fing es soeben noch ab.
»Lilian, was ist los?«
»Charlie - Charlie Parker…«
»Ja, was ist mit ihm?«
»Er ist tot, nicht?«
Glenda schwieg. Für Lilian war es Antwort genug. Trotzdem wollte sie es genauer wissen, und wieder umklammerte sie Glendas Arm.
Diesmal mit beiden Händen. Sie schüttelte die Frau neben sich durch und wollte immer wieder wissen, ob es auch stimmte, dass Charlie Parker nicht mehr am Leben war.
»Er ist leider gestorben.«
»Umgebracht, nicht?«
Glenda nickte.
»Von ihm?«
»Wen meinen Sie?«
»Den… den… der auch hier war. Der mit der Uniform. Der mit der Mütze. Aber das war kein Mensch«, flüsterte sie und schaute dabei zur Tür, als könnte er jeden Moment dort erscheinen. »Nein, das war kein Mensch, ich erinnere mich jetzt genau daran. Kein Mensch, was anderes. Was ganz anderes…« Ihre Stimme brach. Sie senkte den Kopf und schüttelte ihn zugleich. »Bitte, Glenda, sagen Sie auch was. Tun Sie mir den Gefallen.«
»Sie haben recht, Lilian, es war kein Mensch.«
Ihre Hände fielen schwer auf die Bettdecke. »Ja, ja, wir haben beide recht. Wir sind von einem Monster besucht worden, das uns umbringen wollte, nachdem es auch Charlie getötet hat.«
»War Charlie Parker Ihr Freund?«
»Ja - schon.«
»Sie haben ihn geliebt?«
Diesmal erhielt Glenda nicht sofort eine Antwort. »Was heißt geliebt? Ich mochte ihn. Er hat mir all das gegeben, was mein Mann nicht mehr wollte oder konnte. Was weiß ich.«
»Er war also so etwas wie ein Geliebter?«
»Das kann man sagen. Und jetzt ist er tot. Gekillt von einem Monster. Das kann es doch nicht geben, Glenda. So etwas läuft nicht frei herum. Das ist wie im Kino. Nein«, korrigierte sie sich. »Das ist viel schlimmer.«
»Ich weiß es, Lilian.«
Diese Antwort versetzte Lilian in Erstaunen. Sie hob den Kopf an, damit sie Glenda ins Gesicht schauen konnte. »Und das sagen Sie so einfach, als wäre es das Normalste der Welt? Warum regen Sie sich nicht auf? Warum schreien Sie nicht? Wo ist eigentlich die Polizei, verflucht noch mal?«
»Die Beamten sind wieder abgezogen.«
»Einfach so?«
»Ja, ich habe es ihnen geraten. Ich arbeite selbst bei Scotland Yard und habe auch meinem Vorgesetzten Bescheid gegeben, der sich ebenfalls um den Fall kümmern wird.«
»Wo ist er?«
»John Sinclair wird gleich zurück sein. Er wollte sich draußen ein wenig umschauen.«
»Auch den Killer suchen?«
»Vielleicht.«
Lilian schauderte zusammen. »Das ist ein Monster. Das ist eine furchtbare Gestalt. Wie kann ein Mensch nur gegen so etwas ankommen, verdammt noch mal?«
»Es gibt gewisse Personen, die das können, Lilian. Dazu zähle ich auch John Sinclair.«
»Ah, so ist das…«
Glenda wusste nicht, ob sie ihr glaubte. Außerdem wollte sie mit Lilian Evans nicht über das reden, was geschehen war, sie musste ein anderes Thema bringen, denn es ging jetzt genau um diesen Killer und um seine Herkunft.
»Was denken Sie jetzt, Glenda?«
»Nun, ich frage mich, ob wir über gewisse Dinge schon sprechen können.«
»Was sind das für
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