Mr. Postman
nicht spielen, denn er lag im Krankenhaus, weil er sich einen Fuß gebrochen hatte.
So war als Treffpunkt nur Muriels Wohnung übriggeblieben, zu der Glenda unterwegs war. Sie saß auf dem Rücksitz eines dieser alten Londoner Taxis und lächelte vor sich hin. Allerdings nicht in der Vorfreude auf das Treffen mit Muriel, sondern eher dachte sie an den Morgen des Tages, als sie im Büro gesessen und John Sinclair das Vorzimmer betreten hatte. Sehr genau durchlebte Glenda die Szene und amüsierte sich jetzt noch darüber.
Er war gekommen wie immer. Und dann war er auf der Stelle stehen geblieben. Dabei hatte Glenda nichts weiter getan, als ihn nur angeschaut. Das aber auf eine besondere Art und Weise. Dabei hatte sie gelacht, weil Johns Gesicht wirklich dumm ausgesehen hatte, und dafür gab es einen besonderen Grund.
Es war die Brille! Genau. Nur die Brille, die Glenda aufgesetzt hatte und John über die Ränder hinweg angeschaut hatte wie eine Lehrerin, die strafend auf ihre Schüler blickt.
»Guten Morgen, John…«
»Ähm… ähm…«
»Was ist?«
»Weiß nicht.«
»Komme ich dir etwa anders vor?«
John hob den Arm. »Im Prinzip schon.« Er lachte. »Die Brille da…«
»Findest du sie chic?«
»Sie… sie gehört zu dir?«
»Ja.«
Der Geisterjäger lachte. Es klang schon komisch. Dann schüttelte er den Kopf, suchte nach Worten und sprach sie aus, als er sich wieder gefunden hatte. »Kleine Überraschung oder kleiner Gag, wie?«
»Nein, ganz und gar nicht. Ich brauche hin und wieder eine Brille. Das hat mir der Arzt gesagt.« Glenda nahm sie ab. »Und ich finde, dass sie mir steht. Ein wunderschönes rötliches Gestell, gut geschwungen, meinem Gesicht angepasst. Da die Sehkraft im Laufe der Zeit nachlässt und ich ja auch vor einem Monitor sitze, habe ich mein Augen überprüfen lassen. Der Arzt war der Meinung, dass ich eine Brille brauche. So habe ich sie mir zugelegt.« Sie reichte ihm die Augengläser entgegen. »Gefällt sie dir?«
John hob beide Hände. »Weiß nicht. Klar, für dich finde ich sie gut.«
»Sie macht mich sexy, wie?«
»Keine Ahnung - ehrlich.«
»Das hat man mir gesagt.«
»Wer denn?«
»Ein Kollege aus der Kantine.«
»Ach so, ja.«
»Was sagst du?«
Er drückte sich vor einer Antwort und tigerte zunächst einmal auf und ab. »Schlecht ist sie nicht. Sie steht dir auch, denke ich. Wenn du sie brauchst, ist das schon okay.«
»Danke, darauf habe ich gewartet.«
Auf dem Weg zur Kaffeemaschine blieb John stehen. Er traute sich noch nicht, sein Büro zu betreten. »Hat Suko sie schon gesehen?«
»Nein, noch nicht.«
»Und Sir James?«
»Der schon. Leider hat er mich enttäuscht. Er hat nur die Stirn gerunzelt und etwas geschmunzelt. Aber du hast mich angeschaut wie eine Fremde.«
»So bist du mir auch vorgekommen. Als ich das Büro betrat, da dachte ich, am Schreibtisch sitzt eine Fremde, und ich wollte mich schon namentlich vorstellen.«
»Oh, du Ärmster. Ist es schon so weit mit dir gekommen, John?«
»Tja, hm - manchmal trifft es eben einen. Ich wusste ja immer, dass du für jede Überraschung gut bist. Aber sonst bist du noch die alte geblieben?«
Sie nickte. »Ja, das kann ich bestätigen. Oder hast du sonst noch eine Veränderung an mir festgestellt?«
»Nein, habe ich nicht«, erwiderte er, nachdem er seinen Blick über ihren Körper hatte gleiten lassen, soweit dies bei Glendas sitzender Haltung möglich gewesen war.
»Dann ist ja alles okay.«
John holte sich seinen Kaffee, ging auf die Bürotür zu, schaute noch einmal zurück und schüttelte den Kopf. Noch jetzt freute sich Glenda darüber, dass ihr die Überraschung perfekt gelungen war. Schon Tage zuvor hatte sie sich vorgestellt, wie es sein würde, wenn John sie plötzlich mit einer Brille sah. Seine Reaktion hatte ihre Vorstellungen sogar noch übertroffen. Er war beinahe aus den Schuhen gekippt.
Ihr leises Lachen hatte sogar den Fahrer irritiert, der kurz den Kopf drehte und sich erkundigte, ob etwas war.
»Keine Sorge, Mister, es ist alles in Ordnung. Ich habe nur leicht gelacht.«
»Sehr schön, denn das findet man heutzutage ja recht selten. Die meisten Menschen sind zu ernst.«
»Da sagen Sie was.«
Glenda fühlte sich entspannt. Sie genoss auch die Fahrt zu ihrer Freundin. Es war eine ruhige Gegend mit alten und neuen Häuser, deren Bauweisen sich nicht störten, sondern wunderbar zusammenpassten. Wo Muriel genau wohnte, wusste sie nicht. Leider waren auch die Hausnummer nicht
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