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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Kelsey Moore
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den sie noch nie zuvor aus der Nähe gesehen hatte, verblüffte, war, wie sehr er Ray ähnlich sah. Sie hatten dieselbe Größe und dieselbe Statur, auch wenn Desmond um den Bauch herum deutlich fülliger war – der Körper eines Trinkers. Ihre Züge ähnelten sich, aber der Mund, den Barbara Jean so gut kannte, war bei seinem Bruder verunstaltet von einer weißen Narbe, die von seiner Nase bis zu dem Grübchen an seinem Kinn verlief. Und Desmonds Nase sah etwas schief aus, wohl das Ergebnis einer Schlägerei, dachte sie. Dennoch hatte sein Lebenswandel ihn nur leicht entstellt. Dieser Mann, der für so viel Unruhe gesorgt hatte und der für sie zum Symbol für alles Beängstigende und Böse auf der Welt geworden war, war durchaus attraktiv.
    Desmond betrachtete Barbara Jean von oben bis unten – zweimal, ganz langsam, um Eindruck zu schinden. Dann schnaubte er und sagte: »Jetzt weiß ich, was Ray bei den Farbigen wollte. Das hätt ich ihm gar nicht zugetraut. Ich hab ihn immer für ’ne Memme gehalten.«
    Barbara wollte nur aus diesem Schuppen raus und weg von diesem Mann, aber sie blieb lang genug ruhig, um zu fragen: »Wo ist Ray?«
    »Dein kleiner Freund ist weg. Der undankbare Bastard ist abgehauen und hat gesagt, er kommt nicht wieder.« Dann lächelte er sie an. Aber es lag weder Freundlichkeit noch Humor in seinem Ausdruck, und sie wich vor ihm zurück, so weit der enge Raum es zuließ. Er sagte: »Aber hör mal, süßes Ding, wenn du Lust auf weißes Fleisch hast, dann zeig ich dir, was ein richtiger Mann ist.« Dann stürzte er sich auf sie und drängte sie mit seinem Körper an die Wand. Er presste seinen Unterleib an Barbara Jeans Hüfte und kicherte dabei die ganze Zeit wie ein gehässiges Kind. Doch sein Lachen verstummte, als sie ihm in den Schritt griff, zupackte und ihre Hand herumdrehte, als wolle sie ein nasses Geschirrtuch auswringen. Er sank zu Boden, Barbara Jeans Faust, die noch immer zupackte und drehte, weiterhin zwischen seinen Beinen.
    Sie ließ los, machte einen Satz über ihn hinweg und rannte aus dem Schuppen. Sie floh durch den Garten und hörte ihn fluchen und drohen. »Ich bring dich um, Schlampe!«, brüllte er.
    Barbara Jean hatte gerade die Schotterstraße erreicht, als sie das Geräusch des aufheulenden Motors hörte und wusste, dass er ihr hinterherkam. Sie hastete enge, matschige Straßen entlang, die sie noch nie zuvor gesehen hatte, in der Hoffnung sich vor Desmond verstecken zu können. Sie duckte sich hinter Bäume und kauerte sich in Rinnen, um außer Sicht zu bleiben. Mehr als einmal fuhr der Truck ihres Verfolgers bloß ein paar Schritte von ihrem Gesicht entfernt vorbei, während sie im hohen Gestrüpp am Straßenrand kniete.
    Schließlich, als sie schon dachte, sie hätte sich für immer in diesem fremden, unwirtlichen Teil der Stadt verirrt, fand sie den Weg zurück zur Wall Road. Von dort aus waren es nur noch fünf Minuten zu Fuß zurück bis zu Big Earls Haus.
    Wahrscheinlich war es das donnernde Pochen ihres Herzens, das verhinderte, das sich ihr von hinten nähernde Motorengeräusch zu hören. Sie bemerkte nicht, dass sie verfolgt wurde, bis die Scheinwerfer des Wagens hinter ihr ihren Schatten auf der Straße vor sich länger werden ließen. Sie fing wieder an zu rennen, aber sie konnte nicht mehr. Sie war einfach zu erschöpft.
    Sie spähte zum Straßenrand, der zunächst zu einem tiefen Graben abfiel und dann in den dunklen Wald führte. Wenn sie es aus dem Scheinwerferlicht und zwischen die Bäume schaffen würde, wäre sie vielleicht in Sicherheit. Sie könnte sich dort verstecken, wenn es sein musste vielleicht auch die ganze Nacht.
    Nein. Verstecken kommt nicht in Frage, beschloss sie. Sie musste nur für einen kurzen Moment jemand anderer sein, jemand ohne Furcht.
    Barbara Jean drehte sich zu den Scheinwerfern um, die nur ein paar Meter von ihr entfernt zum Stehen gekommen waren. Dann hob sie die Fäuste, kampfbereit. Sie flüsterte sich selbst zu: »Mein Name ist Odette Breeze Jackson, und ich wurde in einem Platanenbaum geboren.«
    Aber niemand stürzte sich auf sie. Mehrere schleppende Sekunden lang hörte sie nichts. Dann war die stille Nachtluft plötzlich erfüllt von dem Klang einer Autohupe. Die Hupe machte: »Uh, uuh-uuh.«
    Lester.
    In dem blauen Cadillac erklärte ihr Lester, dass er zu den McIntyres gefahren war, sobald er wieder in der Stadt war. Als er am Haus ankam, stürmte Big Earl gerade aus der Tür, um nach Barbara Jean zu suchen.

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