Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
dass die Hochzeit in grün sein wird und damit basta.«
Odette und Barbara Jean stimmten ihr zu, dass es eine vollkommen verrückte Idee war, die hässlichsten Mädchen der Stadt in grünen Knautschsamt zu stecken.
Barbara Jean nannte es »Kindesmisshandlung«, und Odette, die ihre Rolle als Schaulustige bei einem Auffahrunfall sichtlich genoss, sagte: »Ich kann die Hochzeit kaum erwarten.« Selbst die diensthabende Schwester, die so getan hatte, als hätte sie nicht zugehört, starrte auf die Muster, als Clarice damit herumfuchtelte. Sie unterbrach ihr Kaugummigemampfe gerade lang genug, um »bemitleidenswert« zu murmeln.
Clarice erklärte, dass sie die Stoffbeurteilung so schnell wie möglich hinter sich bringen musste, damit sie sich einer noch komplizierteren Aufgabe widmen konnte. Der Auftrag war, einen Schwarm weißer Tauben auftreiben, der freigelassen werden sollte, wenn Sharon vor den Altar trat.
»Veronica hat das im Fernsehen gesehen, und jetzt muss sie es einfach haben. Macht ihr euch überhaupt eine Vorstellung darüber, wie schwer es ist, dressierte weiße Tauben zu finden? Und natürlich nur, weil ich bei Carolyns Hochzeit diese Seifenblasenmaschine hatte. Das ist immer so mit Veronica. Carolyn hatte Seifenblasen; also muss Sharon weiße Tauben haben. Carolyn hatte den Sprung über den Besenstiel; Sharon wird Laser haben, die während der Zeremonie ›Clifton und Sharon‹ über ihre Köpfe schreiben und dann, wenn sie sich das Jawort gegeben haben, umschalten auf ›Halleluja‹.«
Barbara Jean sagte: »Laser? Ehrlich? Man hätte meinen können, sie würde die Finger von Spezialeffekten lassen, nachdem das Osterspiel so in die Hose gegangen ist.«
»Wahrscheinlich wiegt sie sich in Sicherheit, weil es diesmal keine Pläne gibt, dass irgendwer von der Hochzeitsgesellschaft durch die Luft fliegt. Zumindest noch nicht.«
Sie lachten so laut beim Gedanken an den armen Reverend Briggs, der an den Dachsparren der First Baptist baumelte, dass sie das Zischen der automatischen Tür zum Infusionsraum beinahe nicht gehört hätten, das ankündigte, dass jemand eingetreten war. Odette blickte auf und lächelte. Barbara Jean und Clarice drehten sich um und sahen Chick Carlson.
Chick trug einen hellbraunen Mantel mit einem Universitätsausweis am Kragen. Er hielt den Ausweis in Richtung der Krankenschwester hoch, als sie auf ihn zukam, um zu fragen, wen er besuchen wollte. Sie nickte und ließ ihn durch. Er ging zu den Supremes hinüber, bis er am Fuße von Odettes Liege angekommen war. Er sagte: »Hey, Leute«, und grüßte sie, als wäre es ein ganz normaler Tag im All-You-Can-Eat im Jahre 1968.
»Hey, Chick«, sagte Odette. »Ich kann leider nicht aufstehen und dich umarmen, also kommst du besser zu mir.« Er trat näher an Odette heran, beugte sich hinunter und küsste sie auf die Wange. Dann drehte er sich zu Clarice um, und sie schüttelte ihm die Hand. Dann, nach einer Pause, die ein wenig zu lang war, um sich angenehm anzufühlen, sagte Barbara Jean: »Hallo, Ray. Es ist lange her.«
Odette setzte sich so weit auf, wie es ihr auf der Behandlungsliege möglich war, und nahm ihren Freund in Augenschein, jetzt wo sie ihn zum ersten Mal seit dreißig Jahren aus der Nähe zu Gesicht bekam. Er erinnerte sie an einen erfahrenen Bergsteiger, der gerade von einer strammen Wanderung in den Bergen zurückkehrte. Seine Wangen waren rot, und die grauschwarzen Wellen seines Haars waren entweder vom Wind zerzaust, oder er hatte heute Morgen ein paar Stunden bei einem Stylisten verbracht, der ihm das Aussehen eines würdevoll alternden Filmstars verpasst hatte. Odette ließ seine Wangen noch mehr erröten, indem sie sagte: »Nach all den Jahren siehst du immer noch genauso appetitlich aus.«
Sie forderte ihn auf, sich einen Stuhl zu nehmen, aber Chick sagte, er sei schon spät dran und könne sowieso nicht lang bleiben. Er erzählte, er habe heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit James getroffen und der habe ihn über Odettes Zustand ins Bild gesetzt und ihm gesagt, wo er sie finden könne.
»Also, was bringt dich nach all den Jahren zu uns zurück?«, fragte Odette.
»Ich leite ein Forschungsprojekt«, sagte er. »Wir arbeiten mit Vögeln. Greifvögeln, genaugenommen mit Habichten, Eulen und Falken. Sie haben den alten Turm für uns umgebaut.« Er machte eine Handbewegung in Richtung des Turms, obwohl das Zimmer gar kein Fenster hatte und ungeachtet der Tatsache, dass die Supremes, wie jeder in der Stadt,
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