Mundtot nodrm
Hunde?‹ in voller Länge im Gewerkschaftsblatt abgedruckt worden war. Er hatte sich darin ausführlich mit Bleibach auseinandergesetzt und ihn als großen Hoffnungsträger hervorgehoben. Spätestens am Montag, wenn das Magazin auch in Wirtschafts- und Unternehmerkreisen kursieren würde, war mit verbalen Scharfschüssen zu rechnen. Wenn nicht bald weihnachtlicher Frieden einkehrte, drohte die Lage weiter zu eskalieren. Gutwein blickte auf die vernebelten Dächer Münchens hinaus und war mit sich uneins, ob es gut war, weiterhin die Negativ-Stimmung zu schüren und damit möglicherweise einen Volksaufstand zu provozieren. Was tatsächlich im Untergrund brodelte, war schwer einzuschätzen. Man durfte es nur so lange kochen lassen, bis Bleibach auf demokratische Weise den Durchbruch erreicht hatte. Auf keinen Fall aber durften die Lager außer Kontrolle geraten. Daran konnten weder Bleibach noch die Gegenseite interessiert sein. Gutwein legte das Magazin in eine Schublade und widmete sich weiteren Schriftstücken. Als plötzlich der aufdringliche Ton des Telefons die Stille zerriss, zuckte er zusammen. Wer wusste schon, dass er am Samstagmittag im Büro war? Es musste jemand sein, der seine Durchwahlnummer kannte. Gutwein warf einen Blick auf das Display, doch da stand nur ›Anonym‹.
Er zögerte kurz, doch dann übermannte ihn die Neugier, wer ihn jetzt anrufen würde.
»Guten Tag, Herr Gutwein«, hörte er eine Frauenstimme, die ihm irgendwie bekannt vorkam.
»Guten Tag«, echote er leicht verärgert. »Mit wem hab ich die Ehre?«
»Ob es für Sie eine Ehre ist, wage ich zu bezweifeln«, kam es schnippisch zurück. »Sie haben sich neulich nicht gerade erfreut gezeigt, als ich Sie besucht habe.«
In Gutweins Gehirn versuchten die Synapsen, die richtige Verbindung herzustellen. »Ach, Sie sind das«, zeigte er sich verwundert, ohne dass ihm der Name einfallen wollte. Nur die strohblonden Haare tauchten vor ihm auf.
»Malinowska, Joanna Malinowska«, half sie ihm auf die Sprünge. »Ganz praktisch, dass auf Ihrer Visitenkarte die Durchwahlnummer drauf steht. Trotzdem bin ich verwundert, Sie um diese Zeit im Büro zu erreichen.«
»Auch bei der Gewerkschaft ist man ab und an gezwungen, Überstunden zu machen«, knurrte er missmutig zurück. »Es muss eine ernste Sache sein, wenn Sie mich jetzt anrufen.«
»Ich habe Ihren Artikel im neuesten Gewerkschaftsblatt gelesen«, gab sie ebenso unfreundlich zurück. »Eigentlich ist es nicht meine Art, mich über gewerkschaftliche Hetzartikel zu äußern. Aber finden Sie nicht, dass Sie hier zu weit gegangen sind?«
Gutwein lachte in sich hinein. Wenn sich sogar diese Dame bemüßigt sah, ihr Missfallen zum Ausdruck zu bringen, um wie viel mehr musste er dann die Manager der Großkonzerne getroffen haben? Nichts anderes war beabsichtigt gewesen. Womöglich hatte man sie sogar vorgeschoben, um ihm die Meinung zu sagen. Dass dies schon jetzt, kurz nach Erscheinen des Magazins, war, dazu noch am Samstagmittag, ließ auf die Bedeutung schließen, die seinem Artikel beigemessen wurde.
Gutwein lehnte sich genüsslich zurück und sah aus dem Fenster. »Wenn es um uns geht, bezeichnet man öffentliche Äußerungen als Hetzartikel, aber wenn Ihresgleichen Ähnliches tun, findet man die Verlautbarungen im Wirtschaftsteil der großen Zeitungen. Und wenn es Ihnen gelingt, die Bundesregierung auf dieselbe Linie zu bringen, dann tönt es aus Berlin, man mache eine solide Wirtschaftspolitik. Ist das so, oder verstehe ich da etwas falsch?«
»Ich habe Sie nicht angerufen, um Sie in Ihrer einseitigen Meinung umzustimmen«, blieb die Frau kalt. »Sondern es geht mir als Vertreterin des Unternehmerverbandes um den sozialen Frieden.« Noch bevor Gutwein einhaken konnte, fuhr sie fort: »Bedenken Sie bitte, dass auch Ihre Seite schon bald wieder bei Tarifverhandlungen am selben Tisch sitzen wird wie jene, die Sie jetzt verdammen und denen Ihr Herr Bleibach pausenlos vorwirft, so genannte Kapitalistenschweine zu sein. Oder ›Gstopfte‹. So sagt man doch in Ihren Kreisen, oder nicht?«
»Um mir das zu empfehlen, rufen Sie mich um diese Zeit an?«, gab er deutlich gereizt zurück. Sie war wirklich kühl und giftig, durchzuckte es ihn.
»Nein, deshalb nicht«, antwortete sie. »Sondern weil ich Ihnen dringend nahelegen möchte, die Bleibach-Manie nicht weiter zu schüren.« Ihre Stimme nahm einen gefährlichen Unterton an. »Wir wollen doch nicht, dass es noch Tote
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