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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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im
Regen wogenden Bäume. Freundschaft ist das einzige
Haus, das ich habe. Keine Zeile, an die ich bislang
viele Gedanken verschwendet hätte. Aber sie ergab Sinn, angesichts all der
Probleme, mit denen man sich bei einem richtigen Haus herumschlagen musste:
Heizkosten, Hypotheken, widerspenstiges Personal, Vermieter, die Wuchermieten
eintrieben, Schauspieler, die bei einem einzogen, so was halt. Wie würde so ein
Haus aus Freundschaft aussehen? Die blassen Bilder von den Ereignissen des
Tages zogen noch einmal an mir vorüber, wie auf einem Wandteppich, der die
Geschichte einer längst vergangenen Schlacht erzählt: Entgegen all meinen
Bemühungen um ein Leben in Eleganz schien das Beweismaterial nahe zu legen,
dass ich nicht viel getan hatte, um mich vor den Unbilden der Elemente zu
schützen. Bel, Amaurot, Droyd, die Letten ... Je genauer ich hinschaute, desto
mehr hatte ich den Eindruck, dass - in der Häusersprache gesprochen - die Charles
Hythlodays die schäbigen, überteuerten Wohnungen mit den schiefen Wänden und
verpfuschter Installation waren, während die Franks dieser Welt für die
prächtigen alten Landsitze mit Blick aufs Meer standen - selbst wenn die Franks
Couscous für eine überkandidelte Form der Begrüßung hielten oder Stockhausen
für ein schwedisches Möbelgeschäft oder - wie ich es mit eigenen Ohren als
Antwort auf eine Frage Droyds gehört hatte - Donatella Versace für eine Teenage
Mutant Ninja Turtle. Und mir kam der Gedanke, dass wir alle zusammen das letzte
Mal glücklich gewesen waren - richtig glücklich, auch wenn uns das gar nicht
bewusst gewesen war -, als Frank und Bel noch ein Paar gewesen waren. »He...«
    Keine
Reaktion.
    »Frank?«
    »Mmmgrrhhh?«
    »Weißt du
was, ich hab nachgedacht. Bel ist nur sechs Monate weg. Gar nicht so lange
eigentlich ... Tja, und ich hab mir gedacht, also, wenn du Interesse hast, ich
meine, wenn du es noch mal bei ihr versuchen willst...
    »Ja,
Charlie?«
    »Nun ja,
ich könnte ein gutes Wort einlegen für dich, wenn du willst.«
    Nie hätte
ich mir träumen lassen, dass ich das mal sagen würde. Und plötzlich sah ich
alles deutlich vor mir - mein Zimmer, wieder von mir in Besitz genommen; das
Theater demontiert, seine Mitglieder in alle vier Winde zerstreut; Bel und ich
fröhlich lachend, während Frank unaufschiebbare Arbeiten rund ums Haus
erledigt; und all die aufgewirbelten Bestandteile unseres Lebens schwebten wie
die Flocken in einer kleinen Schneekugel wieder auf ihre angestammten Plätze
zurück.
    »Auf dich,
Charlie«, sagte Frank. »Du bist echt in Ordnung.«
    »Ist doch
das Mindeste, was ich tun kann. Hätte ich eigentlich schon früher drauf kommen
können ...«
    »Tja...«,
sagte er und kratzte sich nachdenklich an der Nase.
    »Weißt du
noch ... neulich, wo du gesagt hast, an anderen Bäumen, da hängen auch noch
Apfel?«
    »Und?«
    »Na ja,
weil ... Laura und ich ... wir ... na ja, weißt schon.«
    »Was soll
ich wissen?«
    »Na ja,
hast es ja selbst mitgekriegt, in letzter Zeit hat sie ziemlich oft
reingeschaut.«
    »Ich hab gedacht,
das war, weil sie
so auf Heimwerken steht«, sagte ich mit schwacher Stimme.
    »Macht dir
doch nichts aus, oder? Hab 'n bisschen Angst gehabt, dass du selber scharf bist
auf sie.«
    »Ach was,
überhaupt nicht«, sagte ich und sah das wieder erstandene Amaurot hinter dem
Horizont im Hat-nicht-sollen-sein-Land verschwinden - zusammen mit der
freigebigen Laura und ihren saftigen Melonen. »Ich freu mich für dich, alter
Junge, ehrlich.«
    »Auf dich,
Charlie. Ich mach's ihr einmal für dich mit, ha ha.«
    »Danke«, sagte
ich kraftlos.
    Gnädigerweise
ging sein Atmen bald in Schnarchen über. Etwa eine Stunde lang hörte ich mir
das Schnarchen an, dann sagte ich mir, dass ich möglicherweise viel lieber
einen Schluck trinken wolle. Also stand ich wieder auf und ging nach unten.
    Die Leute
von der Cateringfirma waren schon vor Stunden abgezogen. Alles war sauber
verräumt. Der lange Tisch war seiner Dekoration beraubt, außen herum standen
die Stühle in geometrisch präziser Ordnung. Die Blutspritzer von Harrys Nase
waren aufgewischt, das Geschirr gespült, abgetrocknet und im Küchenschrank
verstaut. Vater hing wie immer in seinem Bilderrahmen in der Halle und wartete.
Ohne eigentlich genau zu wissen, warum, ging ich von Zimmer zu Zimmer, nahm
Sachen in die Hand und stellte sie wieder hin. In der bläulichen Dunkelheit
schien alles zu flirren. Ich kam mir ein bisschen vor wie der Prinz aus

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