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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
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passieren lassen.«
    »Hier
gibt's dauernd was auf die Nüsse«, sagte Frank. »Letzte Woche erst: Mein Kumpel
und ich kommen hier rein und sehn diese beiden Arschlöcher, die wir von früher
kennen. Wir also gleich rüber, und zack, bumm, immer feste drauf. Ich polier
also grad dem einen die Fresse, da seh ich, wie mein Kumpel aufm Boden liegt
und der andere ihm aufm Kopf rumtrampelt. Also schnapp ich mir 'ne Flasche, und
zack, genau zwischen die Augen. Mann, die beiden Penner sind vielleicht
abgerauscht.«
    Ich nahm
das schweigend zur Kenntnis.
    »Mann, hab
ich gelacht«, sagte Frank.
    »Ah ja«,
sagte ich.
    »Da steht
übrigens einer von den Wichsern«, sagte er laut. »Siehst du den an der Bar da?
Miese versiffte Ratte. Das ist einer von den Wichsern, die wir fertig gemacht
haben.«
    Der
fragliche Wichser war klein, hatte einen Bürstenschnitt und am Kinn eine lange,
frische Narbe. Als er Frank hörte, drehte er langsam den Kopf zu uns.
Wechselseitige Blicke voller Hass. Ich saß zwischen den beiden. Ich rieb mir
die Nase, hüstelte leicht und fing schon an zu hyperventilieren, als der
Wichser glücklicherweise den Kopf beugte. Frank schnaubte triumphierend. Bel atmete
hörbar zischend aus.
    »Ach, den
kannst du vergessen, den kleinen Wichser«, beruhigte er sie. »Außerdem, wenn
dir einer was will, dann hast du doch uns beide, wir beschützen dich. Oder,
Charlie?«
    »Ha, ha«,
sagte ich und ergriff die Gelegenheit, um zu gehen. »Ach, da fällt mir ein, ich
muss noch...«
    »Irgendwo
ein Rohr verlegen?« Frank lachte glucksend, während ich keine Ahnung hatte,
wovon er sprach. Bel verzog triumphierend das Gesicht, als ich meinen Mantel
anzog und in kalten Schweiß gebadet eilig nach draußen ging, um nach einem Taxi
zu suchen.
    Die Fahrt
nach Hause dauerte lang, und an der Haustür sagte ich einem beträchtlichen Teil
meines Gewinns Lebewohl. Aber es war mir egal, so erleichtert war ich, zu Hause
zu sein. Ich schloss die Tür und lehnte mich dankbar dagegen. Köstliche Gerüche
aus der Küche stiegen mir in die Nase, und ich ging nach unten zu Mrs P, die
gerade ein Blech Zimtschnecken aus dem Ofen holte, dampfend heiß, die
Zuckerglasur auf der goldenen Oberseite blubberte noch. Mrs P erschrak -
tatsächlich riss es sie förmlich in die Höhe, nur dass das Blech diesmal wie
Ballast wirkte.
    »Zimtschnecken«,
sagte ich ungerührt. »Eine klau ich mir, darf ich?«
    »Na ja,
gut.« Sie fing sich wieder und brachte das Blech mit einem flinken Armschlenker
vor meinem Zugriff in Sicherheit. »Nein, Master Charles, die sind für Ihre
liebe Mutter in Krankenhaus.«
    »Ach, das
stört sie nicht«, sagte ich und machte einen gekonnten Ausfallschritt in
Richtung Blech.
    Sie drehte
sich ganz um. »Charles, bitte, Sie müssen denken an arme Mutter.«
    »Los,
geben Sie mir noch eine«, sagte ich schroff.
    Sie
schürzte die Lippen und hielt mir das Blech hin. Als ein großer köstlicher
Bissen des dampfenden Teigs in meinem Mund verschwand, fiel mir wieder mein
Plan ein, mittels Zuneigung Mrs Ps schwächelnde psychische Gesundheit zu
stärken. Ich schluckte hinunter und sagte: »Wie ist das eigentlich so bei
Ihnen?«
    »Was?«
    »Na ja, in
dem Land, wo Sie herkommen?«, sagte ich und nahm noch eine Zimtschnecke. Sie
waren wirklich gut. Schon seit ewigen Zeiten hatte sie keine mehr gemacht.
    »Ach
ja...«, sagte sie mit gerunzelter Stirn. »Früher, es war sehr schön. Als ich
noch war ein kleines Mädchen. Jetzt, viele Probleme.«
    »War also
schön, als Sie noch klein waren, hmm?«, sagte ich.
    Sie
stellte das Blech hinter sich auf die Küchentheke und verschränkte
nachdenklich die Arme. »Oh ja, sehr schön«, sagte sie. Ihr Gesichtsausdruck
veränderte sich deutlich; sie wirkte auf einmal zwanzig Jahre jünger. Ihre
bernsteinfarbenen Augen bekamen einen glücklichen, wehmütigen Glanz - nicht
unähnlich dem von zwei glasierten Zimtschnecken. »Als ich klein war, wir lebten
auf dem Land. Mein Vater war Maler, das ganze Haus war immer voll mit
herrlichen Farben. Jeden Tag meine Schwester und ich pflücken wilde Blumen, und
mein Vater malt die Blumen...«
    »Ja, ja«,
sagte ich. Diese Art Fragen schienen nicht zum Ziel zu führen. »Aber heute, da
ist es ziemlich schlimm, oder? Jede Menge Explosionen, brennende Häuser, so
was, oder? Sieht man doch immer im Fernsehen.«
    »Heute«,
sagte sie und schaute düster auf den Boden. »Heute alles ist anders. So anders,
man kann sich nicht vorstellen. Vielleicht hören Explosionen

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