Murray, Paul
gutmütig-derbe Schauspielerveteranen
idiotisch grinsend um sie herum. Mirela vertrat gestikulierend ihr Anliegen und
verteilte ihr Lächeln demokratisch an alle Zuhörer. Drüben in einer Ecke
standen ihre bärenhaften Brüder und amüsierten sich lautstark auf bosnisch.
Sie spielten irgendein Spiel mit Münzen auf einer Papierserviette, die über ein
volles Bierglas gespannt war. Gleichzeitig ächzte Bel unter einem
Hustenanfall, der vorgetäuscht oder auch nicht vorgetäuscht sein mochte, jedenfalls
gab er dem Menschen mit den geflochtenen Haaren und der bäuerlichen Jacke
Gelegenheit, ihr den Rücken zu massieren. Und dann waren da noch die Damen und
Herren der Gesellschaft: die Bankdirektoren mit ihren reizenden Frauen, die
allseits bekannten Philanthropen, der übliche Künstlerklüngel, die hohen Tiere
aus Wirtschaft und Regierung - Zeichentrickfiguren, die vage an Individuen
erinnerten -, plus der allgegenwärtigen Entourage schleimender Schreiberlinge.
Und als das Stimmengewirr plötzlich und Schwindel erregend anschwoll, da
verspürte ich den brennenden Wunsch, einen von denen am Kragen zu packen und zu
brüllen: Was ist hier eigentlich los? Ist das nicht mein Haus? Ist
das da in der Ecke nicht der Steinway, auf dem ich in glücklicheren Tagen »Immer
nur du« und »Holla, ist heut' schon
Halloween?« komponiert habe? Und bin ich etwa nicht, unter all den
Verbänden, immer noch Charles Hythloday?
Doch im
selben Augenblick erspähte ich Mutter, die mit dem beunruhigend entschlossenen
Gesichtsausdruck, den sie sich seit kurzem zugelegt hatte, auf mich zukam. Ich
wusste sofort, dass es - wer immer ich nun war - hohe Zeit war, abzuhauen.
Ich war
ruckartig aufgewacht, wie ein Pendler, der auf dem Heimweg im Zug eingedöst
war. Bel saß neben meinem Bett, sie war in ein Buch vertieft. Ich hustete
höflich.
»Charles!«
Mit einem Schrei ließ sie das Buch fallen. »Gott sei Dank!« Sie sprang auf,
beugte sich über mich und starrte mir in die Augen. »Erkennst du mich? Wie
viele Finger halte ich hoch? Kannst du mich verstehen? Zwinker mit den Augen,
wenn du mich verstehst.«
»Natürlich
verstehe ich dich«, sagte ich. »Und hör bitte auf zu brüllen, mir geht's gut.«
Das war
ein klein wenig übertrieben, denn mit jeder Sekunde erwachte ein weiterer Teil
meines Körpers und heulte auf vor Schmerz. So sanft wie möglich drehte ich den
Kopf auf die Seite und begutachtete meine Umgebung. Wir befanden uns in einem
winzigen Raum mit erbsengrünen Wänden; der hässliche karierte Fenstervorhang
war zugezogen. Um mich herum waren diverse Apparaturen gruppiert, deren
unergründliche Skalen und Bildschirme meinen Zustand abbildeten. An einem
Ständer neben dem Bett hing ein Tropf, von dem ein Schlauch zu meinem Arm
führte. Vor mir an der Wand hing ein Poster mit Bäumen, durch deren Geäst die Sonne
glitzerte. Die Bildunterschrift - Heute ist der erste Tag vom Rest
deines Lebens - jagte mir aus irgendeinem Grund einen kalten
Schauer über den Rücken.
»Wie lange
liege ich schon hier?«, fragte ich.
»Seit
Wochen«, sagte Bel. »Seit vielen Wochen. Die Ärzte haben zwar gesagt, dass so
eine Schockreaktion des Körpers ganz normal ist, aber allmählich haben wir uns
doch Sorgen gemacht.« Sie zog ihren Stuhl näher ans Bett. »Du bist schon ein
paarmal aufgewacht, kannst du dich daran erinnern? Du hast wirre Reden über
Yeats gehalten und Gedichte rezitiert beziehungsweise gebrüllt.« Sie lächelte.
»Vor allem das schwärmerische Zeug. Ich glaube, ein paar von den Schwestern
haben sich in dich verknallt.«
»Dann
zeigen sie's einem aber auf sehr komische Art«, sagte ich, eingedenk der
unangenehmen Wendung meines Traums, und veränderte behutsam die Lage meines
Hinterteils. »Warum fühlt sich mein Kopf so komisch an, Bel? Juckt irgendwie
überall.«
»Ein
Wasserspeier hat dich erwischt. Der Kopf ist noch ganz verbunden, als hätten
sie dich gerade aus einer Pyramide rausgerollt.« Sie zögerte, dann bückte sie
sich und kramte in ihrer Tasche herum. »Hier...« Sie klappte den Taschenspiegel
auf.
»O Gott.«
»Keine
Angst, das wird wieder.«
»Bist du
sicher, dass da drunter noch ein Gesicht ist?«
»Na klar.
Das braucht einfach seine Zeit, bis es heilt. Es ist nichts gebrochen, nur
ziemlich übel verschwollen. Du hast ganz schön Glück gehabt. Der Arzt hat uns
alles erklärt. Sicher schaut er bald mal rein, jetzt, wo du aufgewacht bist.«
Als unsere Blicke sich trafen, schaute sie weg und fing an
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