Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: An Evening of Long Goodbyes
Vom Netzwerk:
um die Nase. »Ach was, um mich braucht man
sich keine Sorgen zu machen«, sagte ich großmäulig und schenkte mir zitterig
noch ein Schlückchen Brandy ein. »Du kennst mich, ich bin ganz zufrieden, wenn
ich so vor mich hinwerkeln kann, dann und wann ein Film oder ein Gläschen
Wein...«
    »Das
reicht jetzt. Während deines kleinen Urlaubs, Charles, hat sich in diesem Haus
ein grundlegender Wandel vollzogen. Ein Wandel, der schon lange überfällig war.
Wir alle in dieser Familie haben viel zu lange in einem Wolkenkuckucksheim
gelebt, über unsere Verhältnisse. Wir haben uns vor unserer Verantwortung
gedrückt. Ich als eure Mutter nehme meinen Teil der Schuld daran auf mich, dass
ihr, du und Bel, so verwahrlosen konntet.«
    »Ich
glaube, dass du da ein bisschen zu streng mit dir ins...«
    »Dank
dieses neuen Projekts scheint Bel ihre Energien nun endlich auf ein sinnvolles
Ziel zu richten. Ich muss zugeben, dass dies weitgehend Mirela zu danken ist,
die einen positiveren Einfluss auf sie hat als möglicherweise Vater und ich in
den letzten Jahren. Du scheinst mir allerdings ein ziemlich hartnäckiger Fall
zu sein.« Sie schüttelte den Kopf. »Wenn ich mir anschaue, wie dieses Mädchen
allen Widrigkeiten getrotzt und sich auf eine Weise in den Haushalt eingefügt
hat, die zur Ehre ihrer lieben Mutter gereicht, und wenn ich mir dann dich
anschaue...«
    »Ich füge
mich sehr wohl in den Haushalt ein, Mutter. Sei jetzt bitte nicht so hart.«
    »Den
ganzen Tag auf der Couch rumliegen, nennst du das einfügen, Charles?«
    »Ich bin
krank«, protestierte ich. »Wenn man krank ist, dann macht man das - rumliegen.«
    Ihr
erhobener Zeigefinger ließ mich verstummen. »Für müßige Hände schafft der
Teufel Arbeit. Seit du das Trinity College abgebrochen hast, lebst du bar
aller Träume und Ambitionen und ohne dir auch nur den Anschein zu geben, einen
Gedanken an die Zukunft zu verschwenden. Lethargie ist eine Sache, aber deine
Mätzchen in letzter Zeit waren eindeutig gestört. Gott weiß, wie glücklich ich
war, diesen grotesken Turm als Steinhaufen zu sehen, aber jetzt ist ein Punkt
erreicht, an dem deine chronische Faulheit unschuldiger Menschen Leben
bedroht.«
    Das Jucken
zog sich hinauf zur Stirn und über die Kopfhaut. »Worauf willst du hinaus?«,
sagte ich schwach.
    »Du hast
schon zu lange in Saus und Braus gelebt«, sagte Mutter. »Es ist höchste Zeit,
dass du dir Arbeit suchst.« Arbeit!
    Das war
also der Dank dafür, dass ich versucht hatte, ein paar letzte Zipfel der
Familienwürde zu retten. Ich lag noch komatös im Krankenbett, da besiegelte man
schon mein Schicksal. Arbeit! Die Wände des Musikzimmers stürzten auf mich
herab. Arbeit!
    Ich stritt
natürlich. Vor allem verwies ich auf die Ironie, mich, ihr eigen Fleisch und
Blut, gerade dann in irgendeine Konservenfabrik zu schicken, wenn sie einer
Bande schauspielernder Tagediebe gratis Unterkunft gewährte. Ich wies darauf
hin, dass Bel auch nicht zur Arbeit gedrängt wurde, als sie sich pausenlos
darüber ausließ, wie sehr sie dieses Haus hasse und wie sehr es sie danach
verlange, sich mit dem Pöbel gemein zu machen. Ich schloss mit einer flammenden
Rede, deren Quintessenz lautete, dass Mutter mich sehenden Auges in ein
aussichtsloses Abenteuer zwinge, da sie ja selbst eingeräumt habe, dass ich
weder Träume noch Ambitionen habe und deshalb eine Verpflanzung in die
Arbeitswelt nur eine Verschwendung von jedermanns wertvoller Zeit sei. Der
grimmige Gesichtsausdruck, mit dem Mutter sich alles anhörte, ließ mich
vermuten, dass sie jedes meiner Worte exakt so erwartet hatte.
    »Hilfe
durch Selbsthilfe«, sagte sie. »So haben sie das im Cedars genannt. Eines Tages
wirst du mir dafür danken.«
    »Sicher
nicht«, sagte ich.
    »O doch«,
sagte sie. »Das Leben ist eine kostbare Sache, Charles. Es ist an der Zeit,
dass du deine Möglichkeiten voll ausschöpfst und den wahren Wert der Dinge
begreifst.«
    »Du redest
wie ein Stalinist!«, schrie ich. »Die Leute gehen nicht zur Arbeit, weil sie etwas ausschöpfen und irgendwelche Werte
begreifen wollen! Sie arbeiten, weil sie müssen. Und dann nehmen sie
das, was ihnen davon übrig bleibt, und kaufen sich irgendwelche Sachen, damit
sie ihre beschissene Arbeit ein bisschen vergessen! Kapierst du das nicht? Das
ist ein Teufelskreis!« Ich hörte auf zu reden und zerrte an meinem Verband. Das
Jucken hatte sich inzwischen meines ganzen Kopfes bemächtigt; es wurde immer
schlimmer, und das Kratzen half

Weitere Kostenlose Bücher