Murray,Paul
wie zum Hohn dröhnt der Beat unbeirrt weiter. Dann stöpseln sie den
Ghettoblaster aus, kraxeln herunter und treten den schmachvollen Rückzug an.
»Um Gottes
willen, was war denn das?«, fragt der Automator, sobald sie draußen sind.
Trudy
guckt auf ihr Klemmbrett. »Originalmaterial.«
»Das gute
alte Originalmaterial«, bemerkt der Automator grimmig. »Ich hatte neulich einen
Schaden in der Wasserleitung, das hat sich ein bisschen so angehört wie die
zwei da.«
»Es hatte
allerdings eine gewisse ungeschliffene Vitalität«, wendet Pater Laughton ein.
»Ich habe
es schon einmal gesagt, Pater, bei diesem Konzert geht es nicht um
Ungeschliffenes oder darum, >sein Bestes zu geben<. Ich will Professionalität. Ich will Flair. Ich will, dass dieses Konzert den
Namen Seabrook publik macht und aller Welt sagt, wofür wir stehen.«
»Für
Erziehung?«
»Für
Qualität, verdammt. Ein Markenprodukt, das auf dem gehobenen Markt ganz oben
steht. Das wird weiß Gott nicht leicht werden. Ich habe mir ernsthaft überlegt,
andere Schüler anreisen zu lassen, Schüler mit echtem Talent, damit wir nicht
nach einer halben Stunde den Vorhang fallen lassen müssen -«
»Ich weiß
nicht recht, ob das so ganz die, äh, richtige Einstellung wäre«, murmelt Pater
Laughton.
»Nur ein
Gedanke, Pater, nur ein Gedanke. Aber apropos, hatte da noch ein paar andere
Ideen, die ich mit Ihnen durchgehen wollte. Erstens: Hab mir gedacht, wir
könnten irgendwo noch Bruder Jonas unterbringen - Sie wissen schon, als
Vertreter von Afrika, diverse Völker, denen die Paraclete Fathers da unten geholfen
haben, die sonnige Zukunft, die ihnen lacht, wenn jeder mit anpackt, so was in
der Art.«
»Mhm,
mhm.« Pater Laughtons gesenkter Kopf verfärbt sich von Kirschrosa zu sattem
Purpur.
»Könnte
vielleicht ein traditionelles Gewand tragen, ein paar Dankesworte in seiner
Stammessprache sagen. Ich will den Leuten vor Augen halten, wie lange sich
diese Schule schon für wohltätige Zwecke einsetzt.«
»Gehen
die, äh, gehen die Einnahmen aus dem Konzert denn nach Afrika?«
»Wir haben
noch nicht genau festgelegt, wie sie verteilt werden. Der Trakt von 1865
renoviert sich schließlich nicht von selbst. Aber jedenfalls, das ist die eine
Idee. Die andere ist die hier: Pater, was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie
dieses Wort hören?« Der Automator legt eine dramatische Pause ein und unterstreicht
mit den Fingern die folgenden drei Buchstaben: »DVD.«
Pater
Laughton blinzelt. »DVD?«
»Bei einem
Gedenkkonzert geht es um Erinnerung, richtig? Was eignet sich dazu wohl besser
als eine DVD, eine Sondergedächtnisausgabe? Ich erklär's Ihnen genauer. Bei so
einer Veranstaltung rücken die Eltern mit ihren Kameras an und wollen
mitfilmen. So tickt die Menschheit des einundzwanzigsten Jahrhunderts: Die
Leute möchten das Spektakel einfangen, es besitzen. Nennen Sie es einen
Nebeneffekt des Spätkapitalismus, nennen Sie es einen Versuch, gegen die
unsägliche Flüchtigkeit des Lebens anzukämpfen. Fest steht, sie alle wollen
Junior in diesen kostbaren Momenten auf Band gespeichert haben. Deshalb habe
ich mir gedacht, wir kommen ihnen zuvor. Wir filmen das Ganze, und statt einer wackligen Aufnahme von
Hand mitsamt Tante Nelly, die neben ihm hustet und mit Bonbonpapierchen
raschelt, bekommt Juniors Dad eine professionell erstellte, digital überarbeitete
DVD, als sein Eigen für immer und ew- ja, ja, leg los.« Letzteres gilt Trevor
Hickey, der schon seit ein paar Minuten mit glasigem Blick auf der Bühne
herumsteht und sich nun in seine Ansprache stürzt: »Meine Damen und Herren, das
tollkühne Kunststück, das Sie gleich zu sehen bekommen, wird sie in Schrecken
und Staunen versetzen. Feuer, der älteste und rastloseste Feind des Menschen
...«
»Ich habe
mich da und dort erkundigt, bei ein paar Ehemaligen, die in der Branche
arbeiten, sie meinen, wir können die Scheiben für ungefähr fünfzig Cent pro
Stück pressen lassen. Bei den Hüllen lässt sich vermutlich auch etwas
deichseln. Der größte Posten für uns ist die Aufnahme - Beleuchtung,
Kameramiete, Mischpult, Arbeitskräfte. Aber egal, was wir dafür ausgeben, wir
kriegen es zehnfach wieder zurück. Überlegen Sie mal, so eine DVD ist doch das
perfekte Weihnachtsgeschenk. Jeder Onkel, jede Großmutter, jeder Cousin dritten
Grades wird ein Exemplar davon bekommen.«
»Der
antike Philosoph Heraklit glaubte, dass das Universum aus Feuer entstanden
ist«, sagt Trevor.
»Und sie
werden
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