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Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition)

Titel: Mut für zwei: Mit der Transsibirischen Eisenbahn in unsere neue Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Malchow
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Lebensrhythmus in der Mongolei bestehen kann? Als erster Test für zu Hause? Ob unser Lebensgefühl vom Baikalsee die Mongolei überlebt? Markus integrieren kann? Kann es gelingen? Kann es gelingen, die sich im transsibirischen Experiment herauskristallisierenden Fragmente eines Lebensgefühls zu konservieren? Mitzunehmen nach München?
    Ist unser Leben unterwegs alltagstauglich? Und: Will ich das überhaupt? Besteht mein Rhythmus nicht gerade darin, keinen festen Rhythmus zu haben?
    Besteht die Herausforderung für mich darin, auch mit Levi flexibel zu leben? Mich jeden Tag aufs Neue auf Veränderung einzulassen? Mein Leben so zu gestalten, dass permanente Bewegung darin stattfinden kann?
    Und überhaupt: Was zwingt mich eigentlich dazu zurückzugehen? In den Alltag in München? Ich weiß die Antwort auf diese Frage, denn ich stelle sie mir in regelmäßigen Abständen: Zu meinem unruhigen Leben gehört ein Ruhepol. Ein Zuhause, zu dem ich zurückkehren kann. An das ich unterwegs denken kann. Und das ist in München. Mit Markus. Außerdem muss ich mein Leben ja irgendwie finanzieren. Und mein Job zwingt mich zu einer gewissen Präsenz in München. Aber das wäre sicher auch anders lösbar.
    Hmmmm.
    Wir hängen jetzt seit zwei Stunden im Nichts fest. Unter das metallische Schrauben mischt sich zunehmend lauter werdendes Klopfen und Hämmern. Manchmal ruckelt der Zug wenige Zentimeter nach vorn, und alle Reisenden halten die Luft an. Dann steht der Zug wieder still, gefolgt von kollektivem Ausatmen. Aussteigen dürfen wir leider nicht. Wenn der Zug steht, ist das Gefühl von Transsibirien unterbrochen. Im Stillstand verbindet sich unsere raum- und zeitlose Kapsel mit der Außenwelt. Langsam kriecht das Wissen über die Endlichkeit des transsibirischen Lebens, das Gefühl vom Leben außerhalb zurück ins Bewusstsein.
    Das Schrauben und Klopfen verstummt. Der Zug setzt sich mit einem Ruck in Bewegung, der mich fast von meinem Klappsitz in den Gang schleudert und Levi aufweckt.
    Mit drei Stunden Verspätung rollen wir in den Bahnhof von Ulan-Bator ein. Stefan trägt unsere Reisetasche, Claudia den Kinderwagen. Und ich Levi, den Seesack und die Kamera. Wir stehen bei strahlender Sonne und eisiger Kälte auf dem Bahngleis, umarmen uns flüchtig und wünschen uns viel Glück und Inspiration bei der Suche nach Antworten auf unsere Fragen.
    Bisher wurden die Abschiedsszenen entlang der Transsib der emotionalen Bedeutung der Begegnungen nicht gerecht. Sie sind kurz und fast hastig. So als möchten die Auseinandergehenden sich die Tiefe ihrer kurzen Begegnung nicht eingestehen. Oder als wüssten sie mit diesem ungewohnten Geschenk der Intimität zwischen Fremden, der flüchtigen Intensität zwischen Reisenden, nicht anders umzugehen, als es vorbeiziehen zu lassen. Oder es für sich zu genießen. Ohne den anderen darin einzubeziehen. Vielleicht geht es nur so.
    Mit einem Gefühl von beschwingter Traurigkeit mache ich mich auf die Suche nach unserem Fahrer. Zeitgleich landet ein Flugzeug aus Peking am Flughafen von Ulan-Bator. Mit Markus an Bord.

5
    ZU DRITT DURCH DIE MONGOLEI: VON GEWALTIGER LEERE, FAMILIÄREN WURZELN UND BEFLÜGELNDER LANGSAMKEIT
    Zwischen den Welten
    Die Ruhe ist gewaltig. Ich kann das Blut in meinen Ohren pulsieren hören. Die mongolische Sonne kitzelt meine Nase. Ich sitze auf dem Boden vor unserer Jurte. Vor mir breitet sich eine gelb-braune Grassteppe aus, die sich am Horizont in Hügelketten und dem diesig blauen Himmel verliert. Ein Reiter bewegt sich von meinem rechten zum linken Blickfeldrand. Irgendwo dazwischen grast eine Herde Wildpferde. Bäche werden zu Rinnsalen, und sandige Wege verlaufen im Nichts. Hinter mir schläft Levi seinen ersten Mittagsschlaf in einem kreisrunden mongolischen Zelt. Wir sind die einzigen Gäste des Jurtencamps. Die Hauptsaison ist vorbei, und mit ihr sind fast alle Touristen aus der Mongolei verschwunden.
    Seit Minuten beobachte ich nun schon eine Staubwolke. Wie ein Wirbelsturm bewegt sich das Zentrum des Staubes auf mich zu. Manchmal blitzt etwas auf: Sonnenstrahlen, die sich in den Fensterscheiben des Autos brechen, das all den Staub aufwirbelt. Mit Markus an Bord.
    Ich stehe auf, winke, lache. Bin so voller Geschichten und Eindrücke, die darauf brennen, von anderen Ohren gehört zu werden. Ich setze mich wieder auf den grasigen Boden, lehne an der Jurte und schließe meine Augen. Dann höre ich Schritte, sehe ein breites Grinsen in einem müden Gesicht. Höre ein

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