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Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)

Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)

Titel: Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rosenberg
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Manchmal, so hat man mir erklärt, ist die Kurzzeitpflege ein Weg in die stationäre Pflege. Mein Vater könne nachkommen und mit seiner Frau gemeinsam betreut leben. Er hätte dann endlich wieder Kontakt zu anderen Leuten. Ich bin ganz begeistert von meiner Idee.
    Am nächsten Abend will ich mit meinem Vater sprechen. Doch leider habe ich dazu keine Gelegenheit. Ich will gerade hinuntergehen, als ich viele Stimmen im Treppenhaus höre.
    »Was ist das denn?«, fragt Jens.
    »Keine Ahnung!«, antworte ich verwirrt.
    Um der Sache nachzugehen, öffne ich die Wohnungstür und werfe einen Blick hinunter. An der Haustür stehen einige mir völlig fremde Menschen, die lebhaft miteinander reden. Sie sprechen polnisch, und ich verstehe kein Wort.
    Tanja sieht mich und schaut hoch: »Besuch!«, erklärt sie und grinst.
    Es fühlt sich alles falsch an. Noch vor nicht allzu langer Zeit hat meine kleine Familie mit meinen Eltern hier im Haus allein gelebt. Es war unser gemeinsames Zuhause. Jetzt plötzlich geben sich fremde Leute die Klinke in die Hand, und ich fühle mich wie ein Fremder. Nein, eigentlich fühle ich mich wie ein Störfaktor. Dauernd treffe ich auf Menschen, die irgendetwas mit meinen Eltern zu tun haben. Ärzte, Pfleger, Physiotherapeuten, Logopäden usw. Die Liste ist lang, jeden Tag kommt jemand Neues dazu. Für mich wirkt das immer bedrohlicher. Das Vertraute, was ein Heim ausmachen soll, ist längst abhandengekommen.
    Ich denke kurz nach und entscheide mich für eine Konfrontation. Wild entschlossen stürme ich nach unten. Die Leute stehen noch im Treppenhaus und diskutieren.
    »Tanja, bitte! Können Sie Ihren Besuch verabschieden? Meine Tochter will schlafen, und ich will nicht, dass Sie Freunde hier empfangen«, sage ich zu ihr.
    Es fällt mir schwer, ihr das zu sagen. Denn ich verstehe, dass sie sich freut, bekannte Gesichter zu sehen, und es genießt, ihre Sprache zu sprechen. Aber es bereitet mir ein solches Unbehagen, dass ich mich jetzt unbedingt durchsetzen will.
    Tanja wirkt verärgert. Sie versteht nicht, was ich für ein Problem habe, fügt sich aber zähneknirschend. Nach dieser Szene steht für mich fest, sie kann nicht bleiben. Wir sind zu verschieden und passen nicht zueinander.
    Umso wichtiger erscheint es mir jetzt, dass ich meinen Vater bald davon überzeuge, die Mutter in Kurzzeitpflege zu geben.
    Am kommenden Morgen suche ich das Gespräch mit ihm. Meine Brüder habe ich schon überzeugt. Sie sind mit meinem Vorschlag einverstanden.
    Vater ist allerdings noch unsicher: »Sie wird mich brauchen«, gibt er zu bedenken.
    »Ja«, bestätige ich, »aber weil sie dich braucht, musst du dich zunächst einmal erholen«, erkläre ich. »Es nützt ja nichts, wenn du vor Erschöpfung zusammenbrichst. Außerdem ist es nur eine kurze Zeit. Deswegen auch ›Kurzzeitpflege‹. Mutter macht dort eine Art Urlaub für drei Wochen.«
    Das leuchtet ihm ein, denn er nickt zustimmend. Doch er ist in der Zwickmühle. Da ist das gegenseitige Versprechen, den anderen nie ins Heim zu geben. Es schwebt wie ein Fluch über uns. Tatsächlich spricht er mich darauf an.
    »Ich bin mir sicher, dass Mutter ihre Meinung geändert hätte, wenn sie gewusst hätte, was mit ihr mal geschehen wird«, versuche ich ihn zu beruhigen. »Du brauchst diese Erholung. Wir alle brauchen Erholung. Und wenn es ihr dort gut geht, kannst du dir in dem Haus eine Wohnung anschauen. Es gibt ja auch für dich die Möglichkeit, dort einzuziehen«, fahre ich fort.
    Endlich nickt er langsam. Seine Augen füllen sich mit Tränen, als er sagt: »Du hast wahrscheinlich recht. Aber wir müssen auf Mutti aufpassen.« Ich verspreche ihm, dass er jeden Tag hinfahren kann, wann immer er will.
    Nachdem ich meinen Vater überzeugen konnte, fühle ich mich hundeelend. So, als würde ich meine Mutter verkaufen. Ich bemühe mich, die aufkommenden Zweifel zu verdrängen. Der Weg ist richtig! Jetzt muss ich nur noch ein paar Steine aus dem Weg räumen.
    Kurzzeitpflege – und was dann?
    Das Heim macht einen guten Eindruck. Auch die Mitarbeiter sind sehr freundlich und bemüht. Es gibt sogar eine eigene Station für Demenzkranke, die ich bereits besichtigt habe. Alles könnte perfekt laufen, wäre da nicht meine Mutter, die dauernd ruft und nörgelt. Schon bei der Fahrt dorthin will sie ständig irgendetwas haben, ohne es benennen zu können. Ich lasse sie reden und versuche, ihr mal ein Taschentuch, mal einen Schlüssel in die Hand zu geben. Doch nichts kann

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