Muttergefuehle
zu Hause.«
»Tin?«
»Kristin arbeitet.«
»Papa?«
»Papa ist auch bei der Arbeit, mein Hasenkind.«
»Papa?«
»Papa arbeitet.«
»Papa!«
»Arbeit!«
» PAPAAAAAA !«
Er will nicht bei der genervten Mama mit den Augenringen sein, die immer ungeduldiger wird, je lauter das Kind nach Papa kreischt. Er will zum Papa, der nie da ist, wenn es kompliziert und anstrengend wird und das Kind seine schlimmste Seite zeigt. Und als Papa endlich von der Arbeit nach Hause kommt, ist des Kindes Laune wie ausgewechselt. Es wird nicht mehr gejammert, sondern gelacht und getobt, und der Papa wird überglücklich geherzt. Ich schlucke meine Gekränktheit runter und entschließe mich, zur Entschädigung für diesen beschissenen Tag an der Herzung teilzunehmen. »Familienumarmung«, rufe ich. »Nein, Mama!«, antwortet das Kind und schubst mich weg.
Der Held ist zu Hause. Die Mutter ist abgemeldet.
Ich weiß, ich sollte mich freuen, dass mein Sohn ein so inniges Verhältnis zu seinem Vater hat, und oft gelingt es mir auch. Aber manchmal könnte ich einfach nur kotzen. Ich bin dafür verantwortlich, dass zu Hause alles läuft und der Alltag funktioniert, und je exklusiver ich das mache, zum Beispiel wenn das Kind krank zu Hause ist, desto schlechter werde ich behandelt. »Sei nicht traurig«, heißt es in solchen Fällen, »bei dir ist er nur so jammerig, weil er ein so großes Vertrauen zu dir hat. Bei den anderen, sogar beim Vater, traut er sich das gar nicht. Das ist doch was Tolles.« Zu dieser Erklärung finde ich ungefähr so viel Zugang wie zu experimentellem Tanztheater. Ganz ehrlich? Das ist mir scheißegal, ich bin nämlich gerade krampfhaft damit beschäftigt, nicht vor Wut und Enttäuschung zu heulen. Ich fühle mich ungerecht behandelt und bin stinksauer auf den Mann, der den ganzen Tag nicht zu Hause ist, dann kurz vorm Schlafengehen noch die gute halbe Stunde mitnimmt und top gelaunt beim Kind natürlich einen völlig anderen Eindruck macht als ich mit meiner schlechten Laune und meinen dünnen Nerven. Aus der Sicht des Kindes kann ich das Ganze ja verstehen, aber manchmal kann ich nicht anders und nehme das Weggestoße persönlich. Dann möchte ich so gern beleidigte Leberwurst sein und dem Kind etwas um die Ohren hauen wie: »Warum bist du immer so gemein? Sei lieber mal dankbar, dass ich das alles mache. Dein Vater würde das nicht einen halben Tag mit dir und deiner Dreckslaune aushalten, das kann ich dir flüstern«, aber das finde ich natürlich unerwachsen und nicht Eltern-like.
Verdammt, warum kann ich nicht der Papa sein? Ich will auch so lange bei der Arbeit bleiben können, bis ich fertig bin, und dann gut gelaunt nach Hause kommen. Ich habe schließlich genauso wenig wie er » HIER « gerufen, als das Schicksal wissen wollte, wer sein halbes Leben dem Kind opfern will, sondern nur, als gefragt wurde, wer weniger verdient.
Aber der Mann ist ja auch nicht schnipsend aufgesprungen, als jemand gesucht wurde, der vom Kind für nichts abgefeiert werden und dafür sorgen will, dass seine Frau sich erbärmlich fühlt. Für ihn ist das bestimmt auch ganz schön blöd. Wenn das Kind kein Interesse an mir hat, versucht er meistens sehr hilflos, mich aufzumuntern, indem er, sobald das Kind etwas in meine Richtung macht, an mir vorbeigehen zum Beispiel, so etwas sagt wie »Guck mal, er hängt so an dir«.
Innen Strippenzieherin, außen Aschenputtel, so fühle ich mich, und ich frage mich, wie die Frauen, die viele Jahre Vollzeitmütter sind, es hinkriegen, ihre Arbeit zu machen, und dabei zugucken können, wie ihre Männer die Lorbeeren einheimsen, ohne ihnen heimlich volle Kinderwindeln über dem Kaffeebecher auszuwringen. Ich bin nämlich erst gelassener geworden, als ich nach einem Jahr Vollzeitmutterdasein meine Arbeit und mein anderes Leben wiederhatte. Und inzwischen gehe ich, abgesehen von den Krankheitsfällen, die mich wieder zur Vollzeitmutter machen, häufiger gelassen damit um, wenn mein Kind mich wegstößt und unbedingt vom Papa gewickelt/angezogen/bespielt werden will. Statt gekränkt zu sein, bilde ich mir ein, dass mein Sohn das mit Absicht macht, weil er mir die Pause gönnt. Dann lese ich Zeitung oder starre in ein Regalfach und genieße es, nicht gebraucht zu werden.
So attackiere ich meine Eifersuchtsattacken:
• Ich pöble den Mann an. Das ist zwar nicht nett, aber manchmal nicht zu verhindern.
• Ich identifiziere einen Lagerkoller und fordere mir Freiraum ein. Etwas Abstand tut
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