Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Muttertier @N Rabenmutter

Muttertier @N Rabenmutter

Titel: Muttertier @N Rabenmutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nives Mestrovic , Sonja Liebsch
Vom Netzwerk:
Tage waren die, an denen ich wie eine überdrehte Aufziehpuppe von einem Termin zum nächsten hetzte. Ich hatte als Kind so ein niedliches Püppchen gehabt, das, wenn man den Knopf in seinem Rücken drehte, eine Musik abspielte und seinen Oberkörper langsam im Takt der Musik hin und her wiegte. Irgendwann hatte ich den Knopf zu weit gedreht und danach zuckte es nur noch nervös und unrhythmisch mit Kopf und Armen. Das Bild dieser Puppe schoss mir jedes Mal vor mein inneres Auge, wenn ich daran dachte, wie ich zwischen Musikschule, Krabbelgruppe und Physiotherapie pendelte.
    Problem 2: Ich hatte keine Arbeit. Nachdem Alex mich darin bestärkt hatte, den Job im Versand nicht anzunehmen, hatte ich schweren Herzens kündigen müssen. Ich hatte lange mit mir gehadert, aber diese Stelle hätte ich als extreme Demütigung empfunden. Wie hätte ich vor früheren Geschäftspartnern dagestanden? Wenn ich in der eigenen Firma keine adäquate Stelle zugewiesen bekam, hieß das, dass ich meinen Job nicht gut gemacht hatte. Außerdem hätte ich mich dann von einer unterqualifizierten Stelle heraus für einen neuen Job bewerben müssen. Wie sollte ich einen solchen Werdegang in meinem Lebenslauf erklären? So war es wenigstens ein ehrlicher Schnitt. Die Firma konnte mir nach der Elternzeit keine qualifizierte Stelle anbieten, also haben wir uns getrennt. Leider konnten wir es uns finanziell auf keinen Fall leisten, noch längere Zeit auf ein zweites Einkommen zu verzichten. Am und im Haus standen mehrere Reparaturen an, mein Polo würde bald seinen Auspuff verlieren und die Kinder hatten solche Wachstumsschübe, dass ich gar nicht schnell genug nachkam, den Kühlschrank aufzufüllen und größere Kleidung zu kaufen. Die finanziellen Sorgen überschatteten unser ganzes Familienleben. Jegliche Sorglosigkeit und Fröhlichkeit war aus unserem Leben verschwunden. Bei jedem Klebstofffleck, den ich auf Tills Pullis entdeckte, hielt ich ihm einen längeren Vortrag darüber, dass auch sein jüngerer Bruder diesen Pulli noch tragen sollte und dass es, wenn ich einen weiteren Pullover kaufen musste, drei Wochen lang keine Süßigkeiten mehr geben würde. Oder, was noch viel schlimmer wäre, ich selbst auf die Anschaffung eines dringend benötigten neuen Oberteils verzichten müsste. Nicht selten nutzte ich diesen Aspekt als Überleitung zu meinem Lieblingsthema, nämlich, dass mich einige Familienmitglieder wohl nur als Putzfrau oder Zimmermädchen betrachten würden, dass unser Zuhause kein Hotel wäre und überhaupt alle mehr im Haushalt helfen könnten.
    Problem 3: Ich war zu dick. In den vergangenen drei Jahren hatte ich 15 Kilogramm zugenommen und fühlte mich in meiner viel zu großen Haut überhaupt nicht mehr wohl.
    Nachdem ich meine Probleme nun so schön herausgearbeitet hatte, fühlte ich mich noch ein wenig schlechter. Hatte ich mich vorher einfach nur irgendwie nicht gut gefühlt, wusste ich nun sicher, dass hinter diesen Gefühlen handfeste Gründe standen und dass es mir nur besser gehen würde, wenn ich die Probleme löste. Von allein würde sich jedenfalls keine der Sorgen verabschieden; so viel hatte ich verstanden. Ich erarbeitete die BMW-Kampagne (Bis Weihnachten Mehr Geld und Weniger Kilos) und war fest entschlossen, wieder zu meiner alten Stärke zurückzufinden. Ein Problem hatte sich durch meine Arbeitslosigkeit deutlich entschärft: Nachdem auch Jan ab sofort den Kindergarten besuchen würde, hätte ich vormittags etwas Zeit für mich, in der ich wieder Sport machen und nach einer neuen Einnahmequelle suchen wollte. Was Letzteres betraf, so würde ich zunächst zweigleisig fahren. Zwar wollte ich weiterhin nach einer geeigneten Teilzeitstelle in der Industrie suchen, aber in der Zwischenzeit nicht untätig herumsitzen, sondern auf selbstständiger Basis ein paar Euros verdienen. Ich wusste nur noch nicht, womit. Zwischen Tupperfrau und Telefonsex lag eine enorme Spannbreite von Möglichkeiten, die ich alle abwägte und schließlich aus den unterschiedlichsten Gründen verwarf.
     
    »Heute ganz allein die Damen?« Es war Donnerstag und Andrea und ich tranken wie gewohnt unseren Latte macchiato bei Mario, während unsere Großen in der Musikschule waren.
    »Ja, Mario, und sehen wir nicht gleich 15 kg leichter aus?« Ich war bester Laune, da ich zum ersten Mal seit ungefähr sechs Jahren ohne Kleinkind und dazugehörige Expeditionsausrüstung unterwegs war.
    »Was habt ihr mit meinen beiden Hilfskellnern

Weitere Kostenlose Bücher