My Story - Streng geheim - Kein Kuss fuer Finn
dass ihn jemand sabotieren könnte, denn das wusste ich ja, sondern dass er es allmählich mitbekam), blieb ich ruhig. »Blödsinn! Du bist aufgeregt. Das macht dich so schusselig.«
Ihm war anzusehen, dass er widersprechen wollte. Eine zu groÃe Hose konnte man auch kaum seiner Aufregung zuschreiben - ein paar der anderen Dinge wohl auch nicht.
»Meinst du wirklich?«, fragte er dann zu meiner Ãberraschung.
Nein! Natürlich nicht! »Sicher. Ich kann dich zwar nicht leiden, aber während der Proben warst du wirklich gut.« Ich schnitt den Faden ab und warf ihm die Hosen zu. »Anziehen! Du musst wieder raus!«
Lukas schlüpfte in die Pluderhosen. »Die sitzt aber eng«, stellte er fest, als er sie hochzog.
»Quatsch! Die sitzt wie vorher auch! Raus mit dir!«
Zum Glück rief in diesem Moment auch Herr Müller nach ihm. Lukas trollte sich, ehe er sich weiter beklagen konnte, dass seine Hosen zu eng waren - und das nicht nur am Bund.
Neugierig folgte ich ihm zum Bühnenrand. Bis Lukas wieder auf der Bühne stand, hatte er geschnallt, dass er den Bauch einziehen und flach atmen musste, um seine Hosen nicht zu sprengen.
»Darf ich dem Schmeichelblick des Schlafes traun â¦Â« Ich bin sicher, er hatte die Worte rufen wollen, doch angesichts seiner etwas beengten Klamotten wurde es eher ein Röcheln. Trotzdem drehte er sich in groÃer Geste mit ausgebreiteten Armen zu Dennis um, der seinen Diener spielte, und fuhr, ähnlich atemlos, aber lauter, fort: »So deuten meine Träumâ ein nahes ⦠Au!«
»Ein nahes Au?« Dennis wirkte irritiert.
Lukas musste eine der Stecknadeln gefunden haben, die ich womöglich in seiner Hose vergessen hatte. Völlig unabsichtlich, versteht sich. Er zupfte an seinen Hosen herum, was für noch mehr Gelächter sorgte. Dann pulte er die erste
Stecknadel heraus. Mal sehen, wie viele er noch finden würde. Und wann.
Bis kurz vor Schluss verlief alles ohne weitere Pannen. Lisa lag bereits im vorgetäuschten Tod auf dem Tapeziertisch aufgebahrt, den die Bühnenbildner mit Holz und der Allzweckwaffe Tapeten in einen Steinaltar (mit quietschenden Scharnieren) verwandelt hatten. Lukas stand vor seiner toten Geliebten, dem Publikum halb den Rücken zugewandt.
Er trank das Gift (bei dem wir groÃzügig darauf verzichtet hatten, das Wasser durch Rizinusöl zu ersetzen - wir hatten ernsthaft daran gedacht, wollten uns das aber aufheben, falls wir für eine weitere Vorstellung eine Steigerung brauchten) und rief: »Und so sterbe ich.« Dann sank er nach vorne, halb über Lisa zusammen. Die ruckartige Bewegung war mehr, als seine Hosen vertragen konnten. Das Ratschen des Stoffes war weithin zu hören. Aus dem klaffenden Riss, der sich über seinen Hintern ausbreitete, fielen zwei Stecknadeln und landeten mit vernehmlichem Pling auf dem Bühnenboden.
Lisa grinste in ihrer Leichenstarre und im Publikum wurde gekichert.
Nachdem endlich der letzte Vorhang gefallen war und die Leute - von denen wohl kaum einer Lust gehabt hatte, schon wieder Romeo und Julia zu sehen - laut Beifall klatschten, war es für Herrn Müller ein hartes Stück Arbeit, Lukas davon zu überzeugen, noch einmal mit den anderen Darstellern auf die Bühne zu gehen, um sich dem Publikum zu zeigen. Als er es schlieÃlich tat, standen die Leute auf, klatschten, pfiffen und stieÃen begeisterte Rufe aus. Lukas, der anfangs unsicher gewirkt hatte, gewann seine Fassung zurück. Plötzlich lieà er sich feiern, als wären all die Pannen beabsichtigt gewesen. Trotzdem bezweifelte ich, dass er all das in der nächsten Vorstellung noch einmal durchmachen wollte.
Als er schlieÃlich von der Bühne kam, zog Mehli ihn zur Seite. »Ãberleg dir künftig, mit wem du dich anlegst!«, zischte er.
Was er ihm noch sagte, hörte ich nicht mehr, denn mir war aufgefallen, dass Finn gar nicht auf der Bühne gewesen war. Ebenso wenig war er irgendwo hinter der Bühne oder in der Garderobe. Er musste sich gleich nach seiner Sterbeszene verdrückt haben. Ein groÃer Teil der Zufriedenheit, die ich angesichts unseres gelungenen Plans verspürt hatte, verflog. Ich holte meine Jacke und wollte mich gerade verziehen, als Anne plötzlich vor mir auftauchte.
»Wo willst du hin?«
»Zu Finn«, erklärte ich. »Ich muss endlich mit ihm reden!«
»Ich dachte, er hört dir nicht
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