MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
gearbeitet hatten, und die Knaben und Mädchen, die die Mühsal des Alltags beim fröhlichen Spiel auf dem Dorfplatz, den Wiesen und am Waldrand vergessen hatten - sie alle lagen niedergestreckt in ihrem Blut zwischen den rauchenden Trümmern. Auf obszöne Weise glichen sie einer Beute, die eine mörderische Jagdgesellschaft zur Strecke gebracht hatte.
Niko und Ayani waren vor Entsetzen verstummt. Schweigend und mit tränenverschleierten Augen schritten sie durch das Dorf, über dem die Stille des Todes lag. Auch das knappe Dutzend Männer, das ihnen folgte, gab kein einziges Wort von sich. Sie führten ihre Pferde an den Zügeln, der Klang ihrer unbeschlagenen Hufe hörte sich wie das dumpfe Dröhnen einer Klagetrommel an. Obwohl Niko und Ayani beim Anblick der Unbekannten zunächst entsetzt zusammengezuckt waren, fanden sie die Fassung schnell wieder. Zumal sich recht bald herausstellte, dass es sich keineswegs um Feinde, sondern vielmehr um Rebellen aus dem Dämonenwald handelte. Ein Späher hatte ihrem Anführer Kieran erst in der Nacht berichtet, dass die schwarzen Reiter aus der Marschmark einen Überfall auf das friedliche Dorf der Alwen planten. Kieran hatte einen Teil seiner Männer sofort auf die Pferde gescheucht und war mit ihnen auf schnellstem Wege zum Flüsternden Forst geritten, um die Dorfbewohner vor den Schergen zu schützen. Doch der Trupp der Vogelfreien war genauso zu spät gekommen wie Niko und Ayani. Versteckt im Schutz des Waldes, hatten sie hilflos mit ansehen müssen, wie Rhogarrs mörderische Horde das Schlachtfeld nach dem Blutbad laut lachend und johlend verließ und den einzigen Überlebenden des Gemetzels mit dicken Stricken gefesselt davonschleppte: Arawynn, Ayanis Bruder.
Als Ayani den mächtigen Amboss erblickte, der wie ein stummes Mahnmal an glückliche Zeiten vor den qualmenden Überresten der elterlichen Hütte aufragte, blieb sie wie angewurzelt stehen und schlug die Hände vor den Mund.
Auch Niko hielt an und musterte Ayani beklommen. Er konnte das Entsetzen, das sie befallen hatte, fast körperlich spüren, denn auch er hatte den leblosen Frauenkörper längst erblickt, der, hingestreckt auf den Rücken, im blutdurchtränkten Sand gleich neben dem Amboss lag.
Es war Maruna, kein Zweifel!
Obwohl Niko noch rund zwanzig Schritte entfernt war, konnte er die schrecklichen Wunden deutlich erkennen, die die Pferdehufe in ihren Leib geschlagen hatten. Blut sickerte daraus hervor. Auch die grauen Haare Marunas hatten sich tiefrot verfärbt.
Was für einen qualvollen Tod musste sie erlitten haben!
In diesem Moment erklang ein Ächzen, und Maruna hob schwerfällig einen Arm und versuchte, sich auf den Bauch zu wälzen.
»Mutter!« Ayani schrie gellend laut auf, stürzte auf sie zu und warf sich neben ihr auf die Knie.
Niko und die Männer folgten auf dem Fuß.
Maruna röchelte und wollte ganz offensichtlich den Kopf heben. Doch sosehr sie sich auch mühte, es gelang ihr nicht. Während ihr Mund vergeblich Worte zu formen versuchte, sank ihr blutüberströmtes Haupt kraftlos zurück auf den Sand.
»Nein, Mutter, nicht!«, flüsterte Ayani mit tränenerstickter Stimme und setzte sich rasch neben sie. Behutsam bettete sie den Kopf der Schwerverletzten in ihren Schoß und strich ihr zärtlich übers Haar. »Nicht sprechen, Mutter, bitte! Du darfst dich nicht anstrengen.«
Marunas Lider zitterten, während sie unter sichtlichen Qualen die Augen öffnete. Als sie Ayani erblickte, huschte ein sanftes Lächeln über ihr bereits vom Tode gezeichnetes Gesicht. »Nicht weinen... Ayani«, flüsterte sie, ohne die Lippen zu bewegen. »Die Unsichtbaren... sie haben es so gefügt.«
Ayani schluckte schwer. Dicke Tränen rannen über ihre Wangen, aber ihre Hände streichelten Maruna unaufhörlich weiter.
Maruna drehte den Kopf und blickte nun Niko an. »Vergiss nicht,... was ich dir gesagt habe. Du musst dem Wunsch der Unsichtbaren nachkommen. Mach dich... auf die Suche nach Sinkkâlion, dem Königsschwert... und nach der Kette aus dem Alwenhort... Ayani wird dich begleiten. Zögert nicht länger, meine Kinder... und macht euch auf den Weg! … Der... der Seher vom Donnerfelsen... er wird euch... weiter... helfen.« Mit dem letzten Wort stieß Maruna einen tiefen Seufzer aus und richtete den Blick zum strahlend blauen Himmel. Ein letztes Lächeln ging über ihr Gesicht, während ihre Lippen sich mühsam bewegten: »Ich freue mich
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