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MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)

MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)

Titel: MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Freund
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Narbe. Er trug eine leichte Lederrüstung wie die meisten Krieger in den marschmärkischen Diensten. Der pelzbesetzte Umhang aus edlem Tuch, der von seinen Schultern hing, verriet jedoch, dass er höheren Standes war. Er eilte auf Rhogarr zu und umarmte ihn kurz. »Seid mir gegrüßt, mein Freund und Gebieter«, rief er.
     
    »Ebenso, Dhrago«, erwiderte der Herrscher kurz angebunden. »Hast du erledigt, was ich dir aufgetragen habe?«
     
    »Aber natürlich, Herr Rhogarr!« Herzog Dhrago verneigte sich unterwürfig. Dann wandte er sich dem offenen Portal zu, in dem nun eine Frau auftauchte - betagt und gebrechlich, das faltige Gesicht von zahllosen Altersflecken übersät. Ihre Augen lagen tief und dunkel in den Höhlen, hatten aber einen schimmernden Glanz. Die breite Nase mit den deutlich sichtbaren Löchern verriet ihre nicht zu leugnende Verwandtschaft mit dem Nachtvolk der Vharuuls. Das Kopftuch auf ihrem grauen Haar war ebenso schwarz wie ihr abgewetztes Kleid, das bis auf den Boden herabreichte.
     
    »Worauf wartest du noch, Orsana?«, herrschte der Herzog sie an. »Knie nieder vor deinem Herrscher. Oder muss ich dir erst Beine machen?«
     
    »Gewiss nicht«, flüsterte die Alte und hinkte tief gebeugt auf Rhogarr zu. Direkt vor ihm fiel sie auf die Knie. »Was kann ich für Euch tun, mein Herr und Gebieter?«
     
    Rhogarr hieß sie auf einem Schemel Platz nehmen und ließ sich selbst auf seinem Thronsessel nieder, einem großen Lehnstuhl aus dunklem Holz, dessen Sitzfläche und hohe Rückenlehne mit dem dichten Fell eines Mähnenbären gepolstert waren. Hastig griff er nach dem irdenen Krug auf dem daneben stehenden Tischchen, goss roten Wein in einen Becher und leerte ihn in einem Zug. Nachdem er sich die feuchten Lippen mit dem Handrücken trocken gewischt hatte, schilderte er der Alten in knappen Worten seinen Albtraum und blickte sie fragend an. »Man sagt, du kannst Träume deuten, Orsana?«
     
    »Aber, Herr, das wisst Ihr doch längst«, antwortete die Hexe. »Also, wenn ich Euch recht verstehe …« Sie sah Rhogarr aus ihren dunklen Augen an und öffnete den Mund zu einem scheuen Lächeln. »Wenn ich Euch recht verstehe, dann wollt Ihr von mir wissen, was Euer Traum bedeu -«
     
    »Natürlich! Was denn sonst?«, fiel Rhogarr ihr laut ins Wort. Wie ein Geier, der auf seine Beute einhackt, reckte er den Kopf ruckartig nach vorne, sodass Orsana erschrocken zurückzuckte. »Kannst du diesen Traum deuten?«
     
    »Aber natürlich, Herr, natürlich«, antwortete sie beflissen. »Lasst mich nur schnell mein Orakel befragen.« Ihre runzelige Hand verschwand in einer Falte ihres Rockes und kam mit einem fleckigen Lederbeutel wieder hervor. Erstaunlich gelenkig kauerte sich Orsana damit auf den Steinboden. Sie band den Beutel auf und streute seinen Inhalt auf die Fliesen: einen Haufen unterschiedlich großer Knochen.
     
    Rhogarr von Khelm, der rasch näher getreten war, verzog angewidert das Gesicht. Mit einem Blick erkannte er, dass die Knochen, die jetzt auf seinem Boden lagen, durchaus nicht nur von Menschen und Schweinsdrachen stammten. Die helle Elfenbeinfarbe bewies, dass sich darunter auch die Zehenknochen eines Einhorns befanden, denen ganz besondere magische Kräfte nachgesagt wurden.
     
    Die Hexe schenkte den Männern keinerlei Beachtung mehr. Tief in sich versunken, murmelte sie unverständliche Worte vor sich hin. Ihre rechte Hand fasste erneut unter das Kleid und beförderte getrocknete Kräuter zutage. Unter unablässigen Beschwörungsformeln verstreute Orsana sie über den Knochen, aus denen nur Augenblicke später eine mächtige Stichflamme emporschoss.
     
    Genau wie Herzog Dhrago zuckte auch Rhogarr von Khelm entsetzt zurück und schloss die Augen vor dem gleißenden Licht. Als er sie wieder öffnete, bemerkte er voller Verwunderung, dass die Knochen ein seltsames Zeichen gebildet hatten. Rhogarr erkannte es sofort: Es war das gleiche Zeichen, das die Schneide von Sinkkâlion zierte: das Symbol der Unsichtbaren, von denen die Alwen glaubten, dass sie ihr Schicksal bestimmten.
     
    Das Zeichen der zwei, die zu einem werden.
     
    Während der Herrscher nach Luft schnappte, stöhnte die Hexe gequält auf. »Bei allen Dämonen, es stimmt also doch!« Ihr kleines Gesicht war aschfahl geworden.
     
    Rhogarr starrte Orsana mit großen Augen an und biss sich so heftig auf die Unterlippe, dass sie blutete. Es war der plötzliche Schmerz, der seinen Zorn richtig ausbrechen ließ. »Was soll das

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