MYSTERIA - Das Tor des Feuers (German Edition)
musste sich das eingebildet haben, ganz bestimmt sogar. Andererseits war sie eine eher nüchterne Frau und neigte wahrlich nicht zu Spinnereien. »Bist du sicher?«, fragte er deshalb.
Rieke nickte ernst. »Ganz sicher sogar!«
»Ähm... keine Ahnung.« Niko zuckte ratlos mit den Schultern. »Ich wusste es eben - einfach so.«
Die Mutter runzelte die Stirn. »Einfach so? Tatsächlich?«, murmelte sie mit skeptischer Miene. »Und warum bist du plötzlich so blass? Als ob du ein Gespenst gesehen hättest. Wenn nicht sogar Schlimmeres!«
»Quatsch!« Niko winkte ab. »Du musst dich täuschen, Mama.«
Rieke antwortete nicht. Doch Niko fühlte auch so, dass sie ihm kein Wort glaubte.
»Wer war sie denn?«, fragte er rasch. »Ich meine, hast du das Mädchen gekannt?«
»Nee! Die Kleine ist bestimmt nicht aus dem Dorf. Jedenfalls habe ich sie noch nie gesehen. Du vielleicht?«
»Ich?« Niko warf der Mutter einen genervten Blick zu. »Wie soll ich denn -«
»Ist ja gut«, schnitt Rieke ihm das Wort ab. »Dann muss sie eben fremd hier sein.«
A yani hatte sich fast schon davongestohlen, als sie doch noch entdeckt wurde.
Was für eine unglückliche Fügung des Schicksals!
Warum musste ihr Bruder ausgerechnet jetzt mit dem Tragekorb hinter die Hütte treten? Nur ein paar Augenblicke später und sie wäre hinter den Büschen verschwunden gewesen. So aber blieb Arawynn bei ihrem Anblick verwundert stehen. »Was hast du vor?«
»Ach...« Im ersten Moment wusste Ayani nicht so recht, was sie sagen sollte. Doch zum Glück fiel ihr gleich darauf eine gute Ausrede ein, zumindest dachte sie das. »Ich will nur schnell nach Pirrik suchen. Er ist seit gestern verschwunden und immer noch nicht zurückgekehrt.«
»Glaubst du, du kannst mich für dumm verkaufen?«, erwiderte der Bruder und starrte auf die Weidenrute, die Ayani in der Hand hielt. Von ihrer Spitze baumelte eine lange Schnur mit einem eisernen Haken. »Jetzt sag schon, was du vorhast!«
»Ich wüsste nicht, was dich das angeht«, antwortete Ayani mürrisch. »Kümmere dich lieber um deine Angelegenheiten.«
»Genau das tue ich ja. Obwohl …« Arawynn stellte den großen Weidenkorb ab, der deutlich sichtbare Spuren von Ruß und Kohlenstaub trug. »Das Feuer in der Esse ist kurz vorm Erlöschen.« Er zeigte auf den Kohlehaufen, der vor der Rückwand der Hütte aufgeschüttet war. »Eigentlich ist es ja deine Aufgabe, für Nachschub zu sorgen. Jedenfalls hatten wir das so abgesprochen, oder nicht?«
Ayani ärgerte sich, dass sie daran nicht gedacht hatte. »Ja, schon«, entgegnete sie unwirsch. »Ich wollte das auch gleich nach meiner Rückkehr erledigen.«
»Nach deiner Rückkehr, so, so.« Der Junge stemmte die Arme in die Hüften und schaute sie vorwurfsvoll an. »Dann willst du also tatsächlich zum Fischen?«
»Ja, klar.« Ayani reckte trotzig das Kinn vor und sah Arawynn herausfordernd an. »Oder hast du vielleicht was dagegen?«
»Und ob ich was dagegen habe!« Der Bruder trat dicht vor sie hin und musterte sie eindringlich. »Du musst von Sinnen sein, Ayani. Das ist viel zu gefährlich.«
»Ach!« Das Mädchen winkte ab. »Was soll mir schon groß passieren?«
Trotz ihrer Worte fühlte Ayani, wie ihre Wangen sich röteten. Sie räusperte sich, um den plötzlichen Frosch in ihrer Kehle loszuwerden. »Ich... äh … ich habe Hunger, Arawynn, verstehst du das nicht? Ich meine... Wir haben seit Wochen kein Fleisch mehr auf dem Teller gehabt«, versuchte sie zu erklären. »Das ewige Gemüse und der dauernde Hirsebrei sind mir so zuwider, dass ich einfach keinen Bissen mehr runterbekomme.«
»Meinst du, mir geht es anders? Meinst du, ich würde nicht auch gerne wieder ein saftiges Stück Fleisch zwischen den Zähnen haben, anstatt immer nur Kohl und Rüben zu essen?«
»Na, also!« Ayanis Augen leuchteten auf. Sie glaubte schon, den Bruder überzeugt zu haben.
Seine Antwort jedoch war ernüchternd. »So zuwider das harte Grünzeug mir auch ist, es erhält uns wenigstens am Leben«, fuhr Arawynn nämlich fort. »Außerdem stehen wir kurz vor der Ernte. Das Korn ist fast reif und kann schon bald geschnitten werden. Und auch die anderen Früchte auf den Feldern gedeihen ganz prächtig.« Er legte der Schwester die Hand auf die Schulter. »Nimm doch Vernunft an, Ayani. In diesem Jahr meinen es die Unsichtbaren wirklich gut mit uns und werden
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