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Mysterium

Mysterium

Titel: Mysterium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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wüsste«, antwortete er, »würde ich nicht weitere Beweise sammeln und Fallgeschichten katalogisieren.
    Und offen gesagt, muss ich mich wohl der Tatsache stellen, dass nichts dabei herauskommt. Ich jedenfalls habe keine Theorien.« Tom dachte daran, was Brendan Hunt über »lose Enden« gesagt hatte und dass es keine Garantie gab, das ganze Wollknäuel zu entwirren, wenn man an den Fäden zog. Vielleicht hatten Brendan Hunt und Oliver Lewis mehr gemeinsam, als er vermutet hatte – ein Gedanke, den er irgendwie beruhigend fand.

23
    Er war viele Male dort gewesen. Es war ein Traum, den er in- und auswendig kannte.
    Trotzdem ergab er für ihn immer noch keinen Sinn. Jedes Mal begann es in demselben Keller. Jedes Mal spürte er ganz in der Nähe die Hand des Todes. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss und wieder öffnete, sah er ihn – den leblosen Körper des Mädchens. Jedes Mal überkam ihn Panik, und er rannte stolpernd und atemlos den Gang entlang, auf die zerbrochene Holztür mit dem gezackten Lichtkranz zu.
    Als Nächstes, das wusste er, würde er sich durch den Schlamm und das Unterholz kämpfen. Jedes Mal fiel er hin und blickte nach hinten zu dem finsteren, halb verfallenen Haus mit seinem gotischen Türmchen. Es stand wie immer am hinteren Ende des verwilderten Abhangs, der einst ein Garten gewesen war; wie immer ließ das Haus ihn an einen abgenutzten Zahn in einem verrotteten Kiefer denken, als würde die ganze bleiche Landschaft ihn angrinsen wie ein Totenschädel.
    Und dann kam ihm der Gedanke -jedes Mal schien dieser Gedanke ihm zum ersten Mal zu kommen –, dass es vielleicht gar kein Traum war. Das alles war zu real, als dass es ein Traum sein könnte. Als er fiel, spürte er die Erde unter seinen Händen, kalt und feucht. Er konnte das Summen von Reifen auf dem nassen Belag der Straße hören, die er von dort aus, wo er sich befand, nicht sehen konnte, aber die er gleich entlanglaufen würde, wie er wusste.
    Die Zeit vergeht nicht, sagte er sich. Sie ist eine Landschaft, durch die wir uns bewegen – etwas Festgelegtes, Vorherbestimmtes. Der freie Wille ist eine Lüge. Die Dinge, die wir tun, waren immer da, haben auf unsere Ankunft gewartet, so wie dieser Augenblick auf dich gewartet hat …
    Er hatte ihn nicht in der Vergangenheit geträumt; er hatte nur einen Blick auf das erhascht, was sich hinter der Ecke befand. Wenn es überhaupt einen Traum gab, dann war es der Traum vom Glück mit Clare und Julia. Nun war er in der Wirklichkeit erwacht.
    Diese Hölle war sein wirkliches Leben.

    Wie immer erwachte Tom mit einem wilden Schrei. Er war außer Atem und schwitzte, und die Bettlaken waren zerwühlt.
    Er streckte die Hand nach dem Schalter der Nachtischlampe aus – und in diesem Moment erinnerte er sich, wo er war: im Hotel in Niagara Falls, in dem er und Oliver Lewis am Vortag abgestiegen waren. Er schaute auf die Uhr: 4 Uhr 20.
    Eine Zeit lang lag er still da und versuchte, sich zu beruhigen und das Gefühl abzuschütteln, ein Flüchtling zu sein, der Angst hatte, entdeckt zu werden. Dann, als sein Entsetzen verblasste, schwang er sich aus dem Bett, um sich eine frische Flasche Wasser aus der Minibar zu holen. Er ließ sich in einen Sessel fallen und setzte die Flasche an die Lippen.
    Was bedeutete dieser grässliche Traum, der sich stets wiederholte? Sollte das Mädchen in dem Haus Melanie Hagan sein? Und warum sah er sich selbst als ihr Mörder? Er wusste genug über Träume, um sich darüber klar zu sein, dass sie nicht buchstäblich der Wahrheit entsprachen. Sie waren indirekt, benutzten Symbole, die man entschlüsseln musste.
    Aber was war die Bedeutung der Symbole in seinem Traum?
    Zu Anfang war das tote Mädchen gar nicht Teil des Traums gewesen. Zuerst waren dort nur das Haus gewesen und das Gefühl der Bedrohung, das Tom dazu brachte, die Flucht zu ergreifen. Es war erst kürzlich in New Orleans gewesen, kurz vor Clares Anruf aus Niagara Falls, dass er zum ersten Mal von diesem Mädchen geträumt hatte. Diese Verbindung zwischen dem Anruf und dem Traum hatte eine Bedeutung, musste eine Bedeutung haben.
    Versuchte Melanie, wo immer sie sein mochte, ihn zu erreichen? So, wie sie Julia zu erreichen versuchte? Oder hatte dieses Phänomen, wie Lewis meinte – und Hunt offensichtlich auch –, keine verborgene Bedeutung, kein Muster, wie ein Autoradio, das sich überlappende Interferenzen verschiedener Sender empfängt?
    Tom und Clare hatten bis tief in die Nacht diskutiert, ob er weitere

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