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Mysterium

Mysterium

Titel: Mysterium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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er eine Minikamera aus der Jackentasche und machte eine Reihe von Aufnahmen.
    Tom war bei der Sitzung dabei und stellte von Zeit zu Zeit selbst ein paar Fragen. Es war nicht das, was Lewis als »wissenschaftliches« Vorgehen beschreiben würde. Im Idealfall hätte er die Version der Geschichte von jeder Familie getrennt aufnehmen sollen; aber da dies ein »kontaminierter« Fall war, lockerte er die Regeln. Tom seinerseits war darauf bedacht, so schnell wie möglich so viele Informationen wie möglich zu bekommen. Je mehr er über Melanie Hagans Verschwinden erfuhr, umso mehr glaubte er ihr rätselhaftes Eindringen in das Leben seiner Familie zu verstehen.
    »Offen gesagt hatte ich den Eindruck, dass es den Cops egal ist, wenn ein Mädchen verschwindet – es sei denn, es ist die Tochter eines Senators oder sie kommt aus einer Familie, die Geld genug hat für teure Anwälte und Privatdetektive.« Jennifer klang bitter, als sie sich an diese traumatische Zeit erinnerte. »Um ihre Spur östlich von Rochester wieder zu finden, haben sie bloß ihren Namen und ein Foto in eine Datenbank eingegeben und abgewartet, ob jemand reagiert. Das war schon alles.«
    »Und hat jemand reagiert?«, fragte Lewis.
    Niedergeschlagen zuckte sie mit den Schultern. »Ein paar Leute. Doch kein Hinweis hat zu irgendwas geführt.«
    »Und der Vater des Mädchens?«, fragte Tom. »Sie sagten, er ist abgehauen, als Melanie vier war. Hat jemand nachgeprüft, ob sie Verbindung mit ihm aufgenommen hat?«
    »Die Cops haben ihn anhand seiner Sozialversicherungsnummer in Ohio aufgespürt. Sie sagten, dass er nichts wusste und dass ihm ohnehin alles egal war.«
    »Hatten Sie selbst mit der Polizei zu tun? Oder Ihre Mutter?«, fragte Lewis.
    »Meine Mutter war ein hoffnungsloser Fall. Joe hat sich um alles gekümmert. Er hat auch mit der Polizei gesprochen, um zu erfahren, was sie herausgefunden hatten.«
    »Standen Joe und Ihre Schwester sich nahe?«, wollte Tom wissen.
    Jennifer schüttelte den Kopf. »Nicht besonders. Er war gut zu ihr und tat sein Bestes, aber es hat ihr immer missfallen, dass er im Haus war. Irgendwie hatte sie sich daran gewöhnt, dass nur noch sie, ich und unsere Mom im Haus lebten, nachdem unser Dad abgehauen war. Einen anderen Mann im Haus, der über alles bestimmte, konnte sie am wenigsten gebrauchen.«
    »Hat er sich denn um alles gekümmert?«
    »Sie haben Joe doch kennen gelernt. Sie wissen, wie er ist.«
    In ihrer Stimme lag ein Hauch Resignation, aber auch, so schien es Tom, eine gewisse Erheiterung.
    »Aber ich weiß ja nicht, wie Joe zu Hause ist«, bemerkte Tom, »in seiner Familie.«
    Wieder zuckte sie gleichgültig die Achseln. »Er tut sein Bestes. Damals waren Mom und ich froh, dass er da war.«
    »Aber Ihre Schwester nicht?«, hakte Tom nach.
    Sie saß stumm da, als wäre seine Frage bereits beantwortet worden, sodass es nicht notwendig war, noch mehr zu sagen.
    »Hat Melanie jemals zu ihm gesagt, was Julia kürzlich zu ihm sagte?«
    Jennifer sah ihn fragend an.
    »Sie erinnern sich doch«, sagte er, und es klang wie eine Herausforderung und eine Frage zugleich. »›Leck mich, Joe.‹ Hat Melanie jemals so etwas zu ihm gesagt?«
    »Könnte sein. Sie hatte ein freches Mundwerk – für ein Kind.«
    »Hat er Sie jemals geschlagen?«
    Jennifer mied Toms Blick. »Ein paar Mal, ja.«
    »Ein paar Mal?« Lewis beobachtete jetzt nur und überließ es Tom, die Fragen zu stellen. »Ist sie deshalb weggelaufen?«
    »Sie war selber schuld«, entgegnete Jennifer, und ihre Stimme wurde abweisend und hart. »Sie hat Joe gereizt, bis er sich vergessen hat. Er hätte sie nicht schlagen sollen. Das wusste er. Das hat er meiner Mom gesagt. Er hatte ein schlechtes Gewissen deswegen und hat sich entschuldigt.«
    »Hat er sich bei Ihrer Schwester entschuldigt?«
    »Das weiß ich nicht mehr. Ich glaub schon …«
    Tom ließ einen Augenblick verstreichen, ehe er weitermachte, wobei er den Eindruck zu vermeiden suchte, dass er sie unter Druck setzte. Schließlich fragte er: »Was meinen Sie, warum Ihr Mann so dagegen ist, dass wir die Frage nach dem Verschwinden Ihrer Schwester wieder aufwerfen?«
    Jennifer sah ihn plötzlich mit derselben Feindseligkeit an, die er bei ihrem Ehemann gespürt hatte. »Hören Sie, ich weiß, worauf Sie hinauswollen, aber Sie sind auf der falschen Fährte. Joe hat viele Fehler, aber seine Finger bei kleinen Mädchen unter den Rock zu stecken, gehört nicht dazu. Das ist nicht der Grund, dass Melanie zu ihm

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