Mythor - 067 - Krieg der Hexen
fügen.«
»Nicht von alleine«, sagte Mythor. »Wir müssen handeln!«
»Sei kein Narr, Mythor!« schalt ihn Scida. »Du solltest dein Ungestüm zügeln. Laß den Zauber von Ambes Garten auf dich wirken, er wird dich befrieden.«
»Genau das will ich verhindern«, erwiderte Mythor heftig. »Ich will meinen Geist wach halten und mich nicht einschläfern lassen.«
Aber mit der Zeit beruhigte sich Mythor.
Es mochte an den berauschenden Düften liegen, am besänftigenden Klang Ambes Stimme oder an der bunten Vielfalt und Schönheit der exotischen Gewächse, vielleicht aber auch am Zusammenwirken all dieser Eindrücke, daß sich der Aufruhr in seinem Innern legte.
Nicht daß er die selbstgestellte Aufgabe, Fronja zu helfen, vergaß. Es drängte ihn nur nicht mehr zur Eile.
Er sah ein, daß man nichts überstürzen durfte. Die Gefahr, in der die Tochter des Kometen schwebte, erschien ihm auf einmal nicht mehr so unmittelbar.
»Wir müssen alles tun, um Fronja zu retten«, sagte Mythor. Aber er sagte es nicht mehr mit solchem Nachdruck wie wenige Augenblicke zuvor.
»Was ist eigentlich passiert?« fragte Scida sinnend. »Wurden wir in Ambes Gebiet verschlagen? Oder befinden wir uns noch in der Umgebung der Katakomben von Acron? Und haben nur Ambes Zauberblumen das Ruinenfeld überwuchert? Weißt du Antwort auf diese Fragen, Lankohr?«
Der kleine Aase schnitt eine Grimasse.
»Es mag sein, daß wir durch Zauberei an einen weiter entfernten Ort verschlagen wurden. Das können wir von Ambe erfahren. Aber ganz sicher ist auch, daß Ambe ihren Einflußbereich vergrößert hat. Als Gaidel starb und ihre Alpträume erloschen, da gewann Ambe offenbar die Oberhand. Sie wird diesen Vorteil dazu genützt haben, um weitere Gebiete ihrer Gegnerin zu erobern. Ich vermute, daß wir uns bereits im früheren Einflußbereich von Niez oder Vone befinden. Aber vor diesen – Hexen sind wir vorerst sicher, denn jetzt herrscht hier Ambe.«
»Welche Folgen könnte Gaidels Tod haben?« fragte Mythor.
»Vielleicht bedeutet er das Ende des Hexenkriegs«, antwortete Lankohr. »Aber das hängt von Zaem ab. Es kommt darauf an, was ihr besser in den Kram paßt, Waffenstillstand oder Weiterführung des Kampfes.«
»Kampf!« sagte Mythor mit Nachdruck. »Wir müssen kämpfen, um Fronja vor einem schlimmen Schicksal zu bewahren. Freunde, wehrt euch gegen die unnatürliche Glücksstimmung, die uns in diesem Zaubergarten aufgezwungen wird.«
»Friede mit euch«, flüsterte die sanfte Stimme von überall. »Empfängt die Sendungen der Liebe und werdet glücklich…«
Mythor hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, aber die Stimme lähmte ihn.
»Gerrek!« rief Scida den Beuteldrachen an. »Träumst du?«
Der Beuteldrache schien sie nicht zu hören. Er hielt sich etwas abseits und ging ungewöhnlich leichtfüßig dahin, seine Bewegungen wirkten geschmeidig. Es sah fast so aus, als hätte er endlich gelernt, seinen Körper zu beherrschen. Er wirkte abwesend, der Blick seiner hervortretenden Augen war ins Nichts gerichtet, als hänge er einem Wachtraum nach. Die eine Krallenhand hatte er in seiner Bauchtasche versenkt, und die geballten Finger zeichneten sich unter der Haut deutlich ab.
Mythor wußte, was er dort umfaßt hielt. Es war eine Flöte, die er unter Gaidels Fetischen entdeckt und an sich genommen hatte. Es war ein Holzblasinstrument von eigener Form und bestand aus verschieden langen, nebeneinandergereihten Pfeifen ohne Grifflöcher.
»Gerrek, willst du nicht endlich zu dir kommen!« rief Mythor den Mandaler an. »Es ist an der Zeit, in die Wirklichkeit zurückzufinden.«
»Laßt mich«, sagte Gerrek, ohne sein Verhalten zu ändern. Er öffnete den Rachen, wie um noch etwas hinzuzufügen, behielt es dann aber für sich.
»Mit dem ist nichts anzufangen«, sagte Lankohr. »Er hat in den Katakomben einen Knacks abbekommen. Und schuld daran ist diese Flöte. Wenn er uns wenigstens sagte, was für eine Bewandtnis es mit ihr hat.«
»Wir können es nur ahnen«, meinte Scida. »Vielleicht ist es wirklich so, daß Gaidel jene Hexe war, die ihn in einen Beuteldrachen verwandelt hat. Die Flöte mag die Erinnerung daran in ihm geweckt haben. Wir sollten ihn sich selbst überlassen, bis er sich wieder gefunden hat.«
Mythor sah ein, daß mit Gerrek vorerst nicht zu rechnen war. Aber wie stand es um Scida und Lankohr – und um ihn selbst? Er spürte, wie sich ihm die Stimmung des Zaubergartens aufs Gemüt legte und ihn einschläferte.
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