Mythor - 119 - Das sterbende Land
ihnen zu helfen. Er konnte ihnen nur raten, sich in die Hütten zu verkriechen, wo es wenigstens schattig war und kühler.
»Wohin bringen uns die Yarls?« rief Ejoba verzweifelt. »Werden sie solange rennen, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrechen und sterben – und wir in dieser Helligkeit verbrennen?«
Proscul stellte fest, daß er sich allmählich an das Licht gewöhnte. Nachdem sich seine erste Panik gelegt hatte, konnte er auch wieder klarer denken.
»Du könntest unsere Rettung sein, Proscul«, sagte Jercel zu ihm. Sein Gesicht war stark gerötet, um seinen Mund hatten sich Bläschen gebildet, die nach einiger Zeit platzten. »Du bist ein Weißling, das Licht sollte dein Element sein.«
»Ich kann nur eines tun«, sagte Proscul. »Ich werde Tombul auf Hoomassa aufsuchen. Entweder er benützt die Macht des Kristalls dazu, die Yarls zur Umkehr zu bewegen, oder ich werde den Kristall an mich bringen.«
»Tu das, Proscul«, sagte Jercel. »Rette Yirzahoo.«
Doch bevor Proscul seine Absicht in die Tat umsetzen konnte, ließ die Lichtwelt einen ihrer Schrecken auf die Rohnen los. In der staubverhangenen Luft tauchte ein riesiger Vogel ohne Flügel auf, ein fliegendes Ungetüm, das die Größe von fast drei ausgewachsenen Yarls hatte. Es flog in geringer Höhe neben Yirzahoo dahin, als halte es nach Beute Ausschau und warte den günstigsten Moment ab, um sich auf die hilflosen Rohnen zu stürzen.
»Versteckt euch, um diesem Flugkörper keine leichte Beute zu sein!« rief Jercel den Rohnen zu. Aber inzwischen hatten sich zwei Drittel aller Nomaden auf Damooha eingefunden, und sie fanden nicht alle in den Hütten Platz. Außerdem waren die meisten von ihnen vom Lichtfieber betroffen. Manche litten so stark darunter, daß sie sich auf ihre Freunde und Gefährten stürzten und sie in ihrem Wahn schlugen und sogar zu töten versuchten. Die Bedauernswerten mußten überwältigt und gefesselt werden, damit sie keinen Schaden anrichten konnten. Das alles führte zu einem heillosen Durcheinander im Bezirk Damooha.
Proscul wollte Jercel und seinen wenigen Helfern, die noch halbwegs bei klarem Verstand waren, beistehen, um die Ordnung wiederherzustellen. Aber der Stammesführer drängte ihn zur Wehr und verlangte von ihm:
»Suche endlich Tombul auf und bringe uns seinen Kristall. Das ist unsere letzte Hoffnung, Yirzahoo zu retten.«
Proscul begab sich zum Tor, hinter dem eine Hängebrücke war, die Damooha mit Tombuls Yarl verband. Die beiden in wahnwitzigem Galopp dahineilenden Tiere schlugen immer wieder mit den Rückenpanzern gegeneinander. Proscul wartete, bis sich die Tiere voneinander entfernten und sich die Hängebrücke spannte, dann betrat er sie.
In diesem Augenblick sah er, wie sich von dem fliegenden Riesenungetüm ein kleinerer Vogel löste und in steilem Flug auf Damooha zuhielt. Als der Vogel zur Landung ansetzte, erkannte Proscul zu seinem größten Erstaunen, daß es sich um einen Menschen mit Flügeln handelte. Er zögerte nur einen Augenblick, dann wechselte er auf Hoomassa über.
Hinter sich hörte er den Fremden irgend etwas sagen, doch gingen seine Worte im Trommeln der Yarlbeine unter. Proscul gelangte durch das Tor von Hoomassa und stellte fest, daß sich die wenigen Anhänger, die Tombul treu geblieben waren, um diesen geschart hatten.
Der Schamane stand auf den Trümmern des Turmes, der durch die Erschütterungen eingestürzt sein mußte, und hielt den Kristall wie schützend über das Häufchen Rönnen, die sich zu seinen Füßen duckten und sich die Gewänder über die Köpfe zogen, um sich gegen das Licht zu schützen.
Tombul hatte Proscul noch nicht entdeckt. Er starrte nach oben und gab einen geheimnisvollen Singsang von sich. Plötzlich stieß er einen markerschütternden Schrei aus.
Proscul blickte in die Höhe, um nach der Ursache für Tombuls Entsetzen zu forschen. Und da sah er, wie sich von dem fliegenden Ungetüm Taue lösten. Manche von ihnen trugen große Netze, zwischen anderen wiederum spannten sich Segel, an einigen hingen aber auch große Körbe.
»Goolux schütze uns vor den Dunkelmächten!« schrie Tombul. »Lasse nicht zu, daß die Kinder Rohnos von ihnen eingefangen werden.«
Proscul verstand nicht sogleich, was das Herablassen von Netzen und Körben zu bedeuten hatte, erst Tombuls Worte ließen einen möglichen Sinn hinter dieser Handlungsweise erkennen.
In einem der herabgelassenen Körbe tauchte ein Mann auf. Er war schmächtig und betagt und hatte den
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