Mythor - 129 - Fluch über Nykerien
schlagen.
Und die gewissenlose Schar der Höflinge ergötzte sich bereits jetzt an dem Schauspiel, das sich ihnen bieten würde, an dem Nervenkitzel eines lange vorher angekündigten Attentats.
Keine Schlechtigkeit, die durch meinen Vorschlag nicht angestachelt worden wäre, keine Niedertracht, der nicht neue Nahrung verschafft wurde, keine heimliche Blutgier, die jetzt nicht auf ein schauriges Spiel erpicht gewesen wäre – und kein frevelnder Hochmut, der nicht neue Anstachelung erfahren hätte.
Ich sah, wie viele im Saal mehr oder minder schauderten, und es ergötzte mich.
Sadagar sah mich an. Ich sah, wie fiebrige Flecken auf seinem hageren Gesicht auftauchten, Aeda glühte förmlich.
Niemand außer uns dreien hätte es gewagt, einen solchen Vorschlag auch nur zu unterbreiten, niemand außer uns war imstande, diese himmelstürmenden Pläne auch auszuführen.
Das Unerhörte dieses Vorschlags ließ den Spieler Sadagar vor Leidenschaft erbeben, mir selbst liefen Schauer über den Rücken – schließlich waren es Leben, die ich da verhandelte.
»Es sei«, ließ sich Volcar leise vernehmen.
Jede Vernunft, das kleinste bißchen weise Mäßigung hätten ihm sagen müssen, daß er auf diesen Vorschlag unmöglich eingehen durfte. Er als Herrscher noch weniger als andere. Es war eine unerhörte Herausforderung, ein Schlag ins Gesicht der öffentlichen Moral – um die es zu dieser Zeit in Nykerien besonders schlecht bestellt war.
»So vernimm denn, welche Aufgabe ich euch stelle«, sagte Volcar. In seinen Augen, vom Trunk unterlaufen und verglast, glomm ein boshafter Funke. »Komm heran, Necron. Ich will sie dir ins Ohr flüstern. Niemand außer uns darf es erfahren.«
Ich trat heran.
*
Volcar lachte schallend, Sadagar wirkte wie versteinert, Aeda biß sich auf die Unterlippe.
Ich wußte, daß ich weiß geworden war, daß mein Gesicht blutleer sein mußte.
Aus weit aufgerissenen Augen starrte ich Volcar an.
»Das ist ein Scherz?« fragte ich stockend. »Nicht wahr, du willst uns ein wenig verhöhnen. Es ist dein Recht, König, dich über uns lustig zu machen.«
Volcar wollte sich schütteln vor Lachen.
»Ich meine es ernst«, sagte er prustend. »Es liegt an euch, ob ihr den Auftrag annehmen wollt oder nicht. Nur wenn ihr diesen Teil der Abrede erfüllt, wird auch der Rest des Spieles eingeleitet.«
Ich hatte Mühe, meine Fassung wiederzufinden. Ich spürte das Beben meiner Hände, den hektischen Schlag eines furchtgehetzten Herzens, kalt lief es mir über Schultern und Rücken, meine Nackenhaare stellten sich auf.
»Komm, verrate es uns«, stieß Sadagar hervor. Ich konnte ihm ansehen, daß sich seine Phantasie förmlich überschlug, daß er sich auszurechnen versuchte, welche Aufgabe Volcar uns aufgebürdet hatte, was mich hatte so erbleichen lassen. Ich wußte, daß Sadagars schlimmste Phantasie die Wirklichkeit nicht zu erraten vermochte.
Ich deutete, noch immer leicht zitternd, eine Verbeugung an.
»Du wirst aus unseren Taten erfahren, ob wir deinen Auftrag als Herausforderung angenommen haben, König Volcar. Bis dahin erlaube uns, daß wir uns zurückziehen.«
Mit einer beiläufigen Handbewegung entließ uns Volcar, er wandte sich wieder dem Wein zu. Sichtlich war er der Meinung, es uns gründlich gegeben zu haben.
Meiner Sinne kaum noch Herr, hastete ich durch die hallenden Gänge und Korridore des Palasts, schlug die schweren ledernen oder samtenen Vorhänge zur Seite, achtete nicht darauf, ob mir das Harz der Kienfackeln in den Händen der uns begleitenden Krieger auf meine Füße tropfte. Ich wollte an die Luft, fort aus dem schwülen Gedünst des Hofes.
Ich holte tief Luft, als wir das Freie erreicht hatten. Es war tiefe Nacht, Sterne waren zu sehen, kein Mond schien. Über der Stadt lag Ruhe, ab und zu unterbrochen vom Wiehern eines Pferdes, vom Gekreisch irgendeiner Frau, vom Jubel- oder Wutruf eines Zechers.
Ich starrte auf Nykor herab.
Wahrhaftig, der Palast erhob sich über die Stadt, und Volcar thronte über aller Schändlichkeit, deren die Bewohner der Stadt fähig waren.
Ich gebot Sadagar mit einer Handbewegung zu schweigen. Wir marschierten weiter, bis wir von den ersten Häusern der Stadt so weit entfernt waren wie vom Eingang des Palasts. Dann erst hielt ich inne, sah zum Palast hinauf. Schwarz und wuchtig zeichnete sich das Gemäuer gegen den ein wenig helleren Himmel ab, gelb fiel das Licht aus den Fenstern, hinter denen Lichter brannten.
»Nun rede, Necron. Niemand kann
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