Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mythos Ueberfremdung

Mythos Ueberfremdung

Titel: Mythos Ueberfremdung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doug Sounders
Vom Netzwerk:
Eurabien-Bestsellern nach der Machart von Mark Steyn und Bruce Bawer werden diese Stadtviertel in Belgien, den Niederlanden, Norwegen und Dänemark, in denen Frauen mit Kopftüchern die Straßen bevölkern, die von Klein-Moscheen und Halal-Metzgereien gesäumt werden, am häufigsten als albtraumhafte Beispiele einer vermeintlichen muslimischen Übernahme dargeboten.
    Das dicht bevölkerte Viertel schien auf den ersten Blick für Neuankömmlinge, die Belgier werden wollten, perfekt ausgestattet. Seine geschäftige Einkaufsstraße war nur einen kurzen Fußmarsch vom Bahnhof entfernt und grenzte an den berühmten Diamantenhändlerbezirk der Stadt. Die Neuankömmlinge machten aus der Handelstraat einen be lebten Hauptverkehrsweg mit Ladengeschäften, Restaurants, Bäckereien, Metzgereien und Cafés, der schon bald Kunden aus der ganzen Region anzog, in erster Linie andere Muslime. Der Wohnraum war billig, aber angenehm gestaltet und günstig gelegen. Man konnte von Einwanderer-Ersparnissen ein Haus kaufen, und Tausende taten das auch. Jamal, einer aus einer Handvoll marokkanischer Schüler in seiner Gymnasialklasse in jenen Anfangsjahren, wollte unbedingt Erfolg haben und schlug den zum Universitätsstudium führenden Weg ein, den auch seine weißen belgischen Mitschüler gingen. Aber er musste mit ansehen, wie andere junge Marokkaner, mit vollständiger Billigung der Schule und wenig Widerstand von Elternseite, mit 16 Jahren von der Schule abgingen.
    Die Schulleitung hatte sie von einem jungen Alter an in Richtung einer technischen Ausbildung gedrängt, deshalb wirkte die Schule eher wie eine Demütigung als wie ein Weg, auf dem man vorankam. Sie hatten keine Ahnung, wie sie das Bildungswesen für sich selbst nutzen konnten, und in der Nachbarschaft gab es keine Behörde oder Unterstützergruppe, die ihnen half. Allerdings fanden Aussteiger aus der höheren Schule keine Fabrikarbeit mehr, deshalb landeten diese jungen Männer auf der Straße. Einige wurden Drogendealer, andere wandten sich dem zu, was sie sich unter den Werten des elterlichen Heimatlandes vorstellten, wieder andere begeisterten sich für asketische Formen des Islam. Es sah ganz danach aus, als wären diese jungen Männer weniger integriert als ihre Eltern.
    Das Leben war schwieriger geworden, als die Kinder von Jamals Generation heranwuchsen, und das hatte sehr viel damit zu tun, dass Leute wie er, die Erfolgreichen, aus dem Viertel weggegangen waren. Die meisten Marokkaner der ersten Generation, die in der Schule geglänzt und später dann gut verdient hatten, zogen in andere, weniger segregierte und stärker von der Mittelschicht geprägte Stadtbezirke. Ihre Häuser im »2060«-Viertel vermieteten sie oft an die nächste Einwanderergeneration. Auch die »weißen« Belgier hatten das Viertel verlassen oder ihre Kinder in anderen Stadtbezirken einschulen lassen. Jamal leitet heute ein beeindruckendes pädagogisches Förderzentrum für Einwandererfamilien. Er ist einer der wenigen erfolgreichen Einwanderer aus der ersten Generation, die heute noch im »2060«-Viertel leben. Allerdings hat auch er seine Kinder in einem »weißen« Viertel zur Schule geschickt. Nach dieser starken Abwanderung aus den Schulen im Einwandererviertel saßen dort in den Klassenzimmern nur noch die armen Neuankömmlinge, betreut von Lehrern mit wenig beruflichem Ehrgeiz, die Kinder gerne in Förderprogramme und auf tote Gleise abschoben, wo schließlich viele ohne Abschluss blieben. »Die Leute, die beim Integrationsprozess am meisten helfen können, die Vorbilder, sind alle in andere Viertel weggezogen«, sagte mir Jamal. »Man muss sich mit jemandem identifizieren, einem Weg folgen, aber den gibt es dort nicht.«
    Jamals Viertel wurde, wie andere arme Einwandererviertel in Europa auch, zum Schauplatz von Kleinkriminalität und Konflikten. Der rechtsradikale Vlaams Blok (»Flämischer Block«) hielt zu Beginn der 2000er-Jahre vor einer der örtlichen Moscheen Kundgebungen ab und suchte die gewalttätige Konfrontation. Als im Jahr 2009 ein marokkanischer Jugendlicher getötet wurde, kam es zu gewalttätigen Demonstrationen, die offensichtlich von einem Imam mit extremen Ansichten angefacht wurden. Im Juni 2011 kam es nach einem Fußballländerspiel zwischen Marokko und Algerien zu gewalttätigen Ausschreitungen, im August desselben Jahres wurde ein Straßenkampf ausgetragen, bei dem die Ladenbesitzer der Handelstraat die Drogenhändler vom Bürgersteig vor ihren Geschäften zu

Weitere Kostenlose Bücher