Nach alter Sitte
dem Dunkel. »Was willst du denn jetzt von mir?«
»Wir müssen noch ens über Jeld sprechen«, sagte Naas. »Dat reicht mir nicht, über wat wir da jesprochen han.«
Es dauerte eine Weile, bis der andere etwas entgegnete. »Hast du dem Bertold genau gesagt, was wir besprochen haben?«
»Klar dat.«
»Nicht mehr und nicht weniger?«
»Jo. Warum?«
Die Antwort ließ auf sich warten. Naas sog an seiner Zigarre. Die Glut tauchte sein Gesicht in ein dunkel leuchtendes Blutrot. Für einen Moment war er ein wenig geblendet und sah den anderen noch undeutlicher als vorhin. Seine Augen gewöhnten sich aber sofort wieder an die Dunkelheit. Die Gestalt vor ihm hob einen Gegenstand in die Höhe.
»Wat soll dat?«, fragte der Alte.
»Wenn du wirklich, wie du immer behauptest, vom Grafen Wilhelm abstammst, erkennst du dies wieder.«
Diese Antwort verstand Naas nicht, und der andere legte wohl auch keinen Wert darauf. Weitere Erklärungen gab er nicht ab. Er ließ dieses Etwas, das er hoch über seinen Kopf erhoben hatte, mit Schwung auf dem Schädel des alten Bauern niedersausen. Ein dumpfer Aufschlag, als würde man einen Pfahl in den Boden rammen, und ein Knacken, als wenn das Holz dabei zerspringen würde, schallten kurz durch die Stille, die über der Baugrube lag. Das leise Geräusch, das der leblose Körper des alten Bauern beim Aufprall auf die weiche Erde verursachte, war dann nahezu unhörbar. Die dunkle Gestalt hob den schweren Vorschlaghammer wieder hoch und schlug nochmals zu. Und noch einmal und noch einmal, so als sollte das Gesicht des Wilhelm Naas dem Erdboden gleichgemacht werden. Die Einzelheiten des grausigen Werkes blieben im Dunkeln, und der Hammer hielt erst inne, als das blasse Antlitz Wilhelms im spärlichen Sternenlicht nicht mehr vom Boden zu unterscheiden war.
11. Kapitel
Die Blondine schnurrte wie eine Katze. Langsam wach werdend, spürte sie ein wohliges Erschauern, als eine kräftige Hand sanft ihren Nacken streichelte, den Rücken hinabfuhr und kurz auf ihrem Po innehielt. Ihr Schnurren brach abrupt ab, als die Hand mit einem Ruck die Decke abzog und ihren nackten Körper der kühlen Morgenluft preisgab.
»Paul«, maulte sie. »Warum tust du das?«
Der riesenhafte Mann setzte sich neben Rita Bertold auf die Bettkante und grinste in ihr verschlafenes Gesicht. »Das mache ich nur aus Liebe. Weil ich den Flieger nicht verpassen will, der uns ins Paradies bringt.«
Rita räkelte sich und lächelte, ohne die Augen zu öffnen. »Oh ja, das ist der einzige Grund, den ich akzeptieren kann. Natürlich nur, falls du mich jetzt küsst.«
Eine frische Brise drang durch das offene Fenster ins Zimmer und hinterließ auf Ritas sportlichem Körper eine leichte Gänsehaut. Paul Gedeck betrachtete sie mit einem leisen Seufzen, strich ihr über das lange Haar und antwortete: »Ich sagte doch, ich will den Flieger nicht verpassen. Und wenn ich dich jetzt küsse ...«
»So ein großer Kerl, und dabei so ein kleiner Feigling«, murmelte Rita und öffnete die Augen. Mit einer katzenhaft schnellen Bewegung, die selbst Paul überraschte, umfasste sie seinen Nacken mit beiden Händen und zog ihn an sich. Kurz bevor ihre Lippen sich berührten, meldete sich das Telefon. Rita lockerte unwillkürlich ihren Griff ein wenig, und Paul nutzte die Gelegenheit, sich mit einer flotten Andeutung eines Kusses von ihr zu lösen und zu dem Telefon zu greifen, das auf dem Nachttisch vor sich hinbrummte und -vibrierte. »Das ist deins«, sagte er und hielt Rita das Gerät hin.
Sie streckte ihm die Zunge heraus und nahm das Gespräch an. »Ja, hier Bertold.«
Paul beobachtete seine Freundin, die dem Anrufer konzentriert lauschte, sah, wie dabei ihr Gesicht immer ernster wurde, bis sie sagte: »Das kann doch wohl nicht wahr sein. Ich bin schon unterwegs!«
»Was?«, fragte Paul, der nichts Gutes ahnte. »Ich vermute, du meintest jetzt nicht, dass du Richtung Flughafen unterwegs bist?«
»Leider nein«, antwortete Rita und stieg aus dem Bett. »In der Nordeifel hat es einen Mord gegeben. Und offenbar ist Opa Bertold darin verwickelt.«
Der Frühstücksraum der Seniorenresidenz Burgblick hatte den größten Andrang für diesen Morgen bereits überstanden, als Lorenz, Gustav und Bärbel beisammensaßen. Lorenz hatte sich zur Freude von Bärbel für ein Müsli mit viel frischem Obst entschieden. Er überlegte, ob es opportun war, zuzugeben, dass ihm sogar der Sojajoghurt, den sie ihm empfohlen hatte, schmeckte. Lorenz befand,
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