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Nach alter Sitte

Nach alter Sitte

Titel: Nach alter Sitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Breuer
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machen? Ihn anrufen und einfach fragen?«
    »Gott bewahre«, sagte Gustav. »Wenn er der Mörder ist, wäre das grundfalsch. Und wenn er unschuldig ist, was ich sehr hoffe, dann wäre er natürlich stinksauer.«
    »Also was tun?«
    Gustav blieb stehen und sah Benny an. »Du hast doch einen Generalschlüssel für alle Zimmer hier, nicht wahr?«
    »Klar. Ach so, du meinst, wir sollten ...«
    »Warum nicht?«, meinte Gustav. »Mir ist zwar nicht ganz wohl dabei, aber andererseits – wem schadet es? Mein Gewissen hat mit ganz anderen Brocken zu kämpfen, das kannst du einem Kerl Mitte siebzig ruhig glauben. Ein bisschen Schnüffeln macht das Konto nicht mehr fett.«
    Benny grinste. »Okay, dann lass uns keine Zeit verlieren.«
    Als Ritas Handy klingelte, schreckten alle wie elektrisiert auf. Lorenz, Stephan und Bärbel hingen gebannt an den Lippen der Kommissarin, als sie das Gespräch annahm. »Okay«, sagte sie. Dann noch mal: »Okay.« Schließlich sprach sie: »Danke dir, Ella. Ich fahre sofort nach Lendersdorf. Wir treffen uns da. Bis gleich!«
    Als Rita das Gespräch beendet hatte, warteten alle gespannt auf ihre Erklärung. Sie steckte das Handy weg, stand auf und sagte: »Eine Frau namens Katharina Erkens wurde soeben in die Notaufnahme des Krankenhauses in Düren-Lendersdorf gebracht. Sie wurde in einer Scheune nahe Blens gefunden, in ein Wagenrad geflochten. Zig Knochenbrüche, schwere innere Verletzungen. Aber – sie lebt. Noch.«
    Benny drehte den Schlüssel im Schloss und stieß die Tür auf. »Bitte einzutreten«, sagte er.
    Gustav schob sich eilig an ihm vorbei. Der junge Pfleger folgte ihm und schloss die Tür von innen ab. »So, wir haben Ruhe«, sagte er.
    Gustav ging zielgerichtet auf den Schreibtisch zu. »Wollen mal sehen«, murmelte er. Alexander Grosjean war offensichtlich ein ordentlicher Mensch. Auf den Tisch waren diverse Papiere sauber gestapelt. Gustav achtete darauf, sich die Lage eines Stapels genau zu merken, bevor er die einzelnen Blätter durchzusehen begann. Der erste Packen enthielt Rechnungen, Geschäftsbriefe, Notizen. Beim zweiten Stapel hielt Gustav inne. »Verdammt.«
    »Was ist?« Benny trat neben den Alten. »Was haste gefunden?«
    Gustav blätterte sich durch Ausdrucke, die vermutlich von Internetseiten stammten. Bilder von Stephan Lochner, Artikel über den gallischen Häuptling Ambiorix, auch Artikel der Lokalpresse über den kriminellen Opa Bertold. Ein alter Zeitungsausschnitt aus dem Jahre 1987, das spurlose Verschwinden einer jungen Frau namens Gerda B. betreffend. Daneben fanden sich weitere Artikel aus verschiedenen Zeitungen, die über andere verschwundene junge Menschen berichteten. Gustav sank für einen Moment in sich zusammen. Dann fasste er sich und legte alle Papiere wieder ordentlich hin, so wie er sie vorgefunden hatte.
    »Das beweist noch gar nichts, oder?«, meinte Benny zögerlich.
    »Nein, natürlich nicht«, sagte Gustav mit starrer Miene.
    Die Schmerzen waren in den letzten Stunden unerträglich geworden. Er nahm gleich ein paar Tabletten aus der Packung. Jetzt war es auch egal. Er schluckte alle auf einmal, spülte mit Wasser aus der Leitung nach.
    Schlaf. Es fehlte der Schlaf. Die Nacht war anstrengend gewesen. Viel kräftezehrender als bei der Kleinen. Er hoffte nur, dass es sich gelohnt hatte. Spaß hatte es nicht bereitet, aber zum Spaß war er auch nicht hier. Es musste ein Schlusspunkt gesetzt werden.
    Unschlüssig stand Lorenz vor der Tür. Er sah sich zu beiden Seiten um. Der Gang war leer. Leise flüsterte er: »Kommissar Wollbrand wusste, er bewegte sich auf unbekanntem Terrain. Doch er wusste auch, dass er nichts zu verlieren hatte. Was also könnte ihn abhalten?«
    Sowohl der Kommissar als auch Lorenz selbst kannten die Antwort. Doch bevor einer der beiden diese aussprechen konnte, klopfte er an. Er wartete einen Moment, dann hatte er kurz die Idee, sich abzuwenden und schnell den Gang hinunterzulaufen, bevor die Tür geöffnet wurde. Er zuckte sogar kurz, um sich in Bewegung zu setzen, doch dann stand plötzlich Bärbel in der offenen Tür und lächelte ihn an.
    »Lorenz«, sagte sie und schien sich über seinen Besuch zu freuen. »Komm rein.«
    Er sah auf ihren mit Farben bekleckerten Malkittel und auf die Staffelei mit dem begonnenen Bild. »Stör ich?«
    »Aber nein. Setz dich doch. Stört es dich, wenn ich noch ein wenig weitermale? Ich möchte diese eine Figur noch bearbeiten, solange die Farbe noch ganz feucht und frisch

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