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Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition)

Titel: Nach dem Applaus: Ein Fall für Berlin und Wien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus-Ulrich Bielefeld , Petra Hartlieb
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durcharbeiten.«
    Anna Habels Blick verdunkelte sich. Dass ausgerechnet Gabi Kratochwil an vorderster Front aktiv werden durfte, missfiel ihr ganz offensichtlich. Als sich Bernhardt von ihr mit einer angedeuteten Umarmung verabschiedete, roch er die Nacht, die Anna durchgemacht hatte: Angst, Schweiß und Tränen. Kurz blitzte vor seinem inneren Auge ein Bild auf: wie er sie in die Badewanne setzte, mit einem weichen Waschlappen abwusch, dann gut abfrottierte und ins Bett brachte. Sie schloss die Augen und sank ganz langsam in eine Ohnmacht.
    Über Annas Gesicht lief eine riesige Spinne, an ihrem linken großen Zeh knabberte eine Ratte, und das alles sah sie nicht, sie spürte es nur überdeutlich. Es war stockdunkel, eiskalt, und jemand rief laut: »Der Rest ist Schweigen!«
    »Anna, Anna! Wach auf! Es ist alles gut! Du bist in Sicherheit.«
    Wie kam sie in dieses Bett? Warum hielt sie Thomas Bernhardt in den Armen? Wo war sie überhaupt, und warum hatte sie ein verschwitztes Nachthemd an? Anna ließ sich in das hohe Kissen zurücksinken und spürte, wie ihr jemand mit einem nasskalten Waschlappen über die Stirn fuhr. Was machte der Berliner hier, und warum fühlte sie sich so dermaßen schlapp? Sie blickte an ihm vorbei, sah ein graues Viereck, davor einen kahlen Baum; das Licht konnte man zwar nicht als hell bezeichnen, doch es war eindeutig Tag. Bernhardt stand auf, ging durch eine kleine Tür, und sie hörte, wie ein Wasserhahn aufgedreht wurde. Da kam die Erinnerung an die Nacht im Verließ. Der metallene Geschmack von Angst war sofort wieder auf ihrer Zunge, sie erinnerte sich an die Theaterstühle mit rotem Samt, an die Ratte, und seltsamerweise fiel ihr die Ecke ein, in die sie gepinkelt hatte.
    »Na?« Er stand vor ihr und grinste sie schief an.
    »Selber na.«
    »Alles in Ordnung?«
    »Du siehst auch nicht gerade aus wie das blühende Leben.«
    »Wie schön, du bist wieder fast die Alte, charmant und höflich wie immer.«
    Anna versuchte zu lachen, es klang ein wenig trocken, ihr Hals schmerzte, und plötzlich schossen ihr die Tränen in die Augen. »Ich hatte solche Angst. Du kannst dir nicht vorstellen, welche Angst ich da unten hatte.«
    »Doch, ich kann es mir sehr gut vorstellen. Du warst fast neun Stunden da unten eingesperrt. Das wär doch nicht normal, wenn du da keine Panik gehabt hättest.«
    »Weißt du, irgendwann hab ich geglaubt, das war’s jetzt. Hier findet mich keiner mehr, und ich muss zugrunde gehen. Dabei war ich irgendwie fast draußen, da gab’s so einen seltsamen Gang, der führte ins Freie, nur endete der zehn Meter unter der Oberfläche, also… ich meine, da war so eine Kuppel, da hab ich den Himmel gesehen, aber ich konnte nirgends raus…«
    »Das ist der Belüftungsgang. Das Schwammerl im Volksgarten.« Gabi Kratochwil schob sich ins Bild, und Anna zog rasch die Decke über ihr Nachthemd.
    »Sie waren in den Belüftungsanlagen des Burgtheaters. Durch die Schlitze in der Kuppel wird die Frischluft in den Zuschauerraum gepumpt. Das Ding im Volksgarten, die Wiener nennen es Schwammerl, ist einzigartig in ganz Europa, ich habe gelesen, dass die Zufuhr der Luft von einer –«
    »Frau Kollegin, das ist stadtgeschichtlich ja sehr interessant, aber sollten wir nicht klären, wie Frau Habel da reingekommen ist?«
    Gabi Kratochwil sah Bernhardt erschrocken an und klappte den Mund zu.
    »Also, Anna. Versuch dich zu erinnern. Warum warst du überhaupt im Keller? Hast du dich verlaufen? Du hattest doch einen Termin mit diesem kaufmännischen Direktor? Ihr habt euch doch sicher nicht im Keller getroffen?«
    »Nein, natürlich nicht. Ich war auf dem Weg nach unten, da hab ich einen Anruf bekommen. Jemand wollte mich im Untergeschoss treffen und mir was sagen.«
    »Und das kam dir nicht komisch vor?«
    »Komisch, komisch. Was ist schon komisch? Erst mal sind das da unten ganz normale Arbeitsplätze – Heizungsraum, Drehbühne. Ich hab mir halt gedacht, da gibt’s jemanden, der mir was erzählen will, irgendjemand, der nicht will, dass es jemand anderer hört oder sieht.«
    »Und dann?«
    »Na, dann war da keiner mehr, und ich bin durch diese Tür gegangen. Es kam mir eh ein bisschen seltsam vor, aber wie ich wieder rauswollte, war sie abgeschlossen. Und das Licht ging aus.« Den letzten Satz sagte sie ganz leise, und Bernhardt sah Gabi Kratochwil vielsagend an. »Du musst jetzt schlafen. Aber erzähl mir noch, wie du rausgekommen bist!«
    »Die Tür war wieder offen. Ich muss irgendwann

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