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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yukio Mishima
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blickten wieder klar und waren voller Leben. Im trüben Licht des Korridors sah man kaum noch Spuren der weggewischten Tränenströme. Tiefe Schatten zeigten sich im Schein der Flurlampe unter ihren Augen, und ihr puderverschmiertes Gesicht wirkte wie das eines schlecht geschminkten Schauspielers. Sie sprach mi unbewegtem Gesicht, nur die blinkenden Zähne zwischen den leicht geöfneten Lippen und der Glanz ihrer Augen erinnerten an ein Raubtier, das auf Beute lauert; ihre absichtlich gesenkte, tiefe Stimme hatte einen herrischen Klang. »Diese verdammten Kerle! Saeki und Nagayama haben es doch tatsächlich durch ihr Geld und ihre Lügen geschaft, daß wir die Wahl verloren haben! Und Tobita, dieser Wurm! Ich könnte ihn umbringen! Alle könnte ich sie umbringen! Gibt es denn keine Möglichkeit, Tobita zu stürzen, Herr Yamazaki? Haben Sie kein Beweismaterial gegen ihn? Es sind doch massenhaft Wahlverstöße vorgekommen! Haben Sie nichts in der Hand, womit Sie Tobita erledigen können? Sie sind der einzige, der das in die Wege leiten könnte. Sie müssen es tun!«

Orchideen, Orangen, Schlafzimmer

    Noguchi maß seinen Äußerungen und besonders seinen Versprechen große Wichtigkeit bei – wie schweigsame Menschen es oft tun. Aber auch, wenn e Befehle erteilte, war er fest davon überzeugt, daß sie unverzüglich ausgeführ würden. Dinge, die ihm wünschenswert erschienen, hatten einfach zu geschehen Daher glaubte er auch, als er am Abend seiner Wahlniederlage von ihrem zukünftigen Leben sprach, dem bescheidenen Leben eines alten Rentners und seiner Frau, daß Kazu sich ganz darauf einstellen würde. Sie hatte schließlich mi einem eindeutigen »Ja« geantwortet. Aber während sie in den folgenden Tagen Dankbesuche für irgendwelche Wahlhilfen abstattete, wurde ihr nach und nach die volle und düstere Bedeutung dieses »Ja« bewußt. Es war im Grunde nur ihre Zustimmung gewesen, einst das gleiche Grab mit Noguchi zu teilen, was sie zwa von Anfang an ersehnt hatte, was aber im Augenblick nichts anderes bedeutete als daß sie schon jetzt den schmalen, moosbedeckten Weg betreten sollte, de geradewegs zum Grabe führt.
       Noch gab es Verschiedenes, was sie beschäftigte. Die Abgeordneten für das Oberhaus wurden gewählt, und man bat sowohl Noguchi wie Kazu, Wahlreden für andere Kandidaten zu halten. Die Freude, anderen Menschen helfen zu können, versetzte sie beide in fröhliche Stimmung. Noguchi brachte sogar eine humorvolle Note in seine Reden, und Kazu sprach viel gelassener als sonst. Beide hatten weit mehr Erfolg als bei den Wahlreden, die sie in eigener Sache gehalten hatten. Beim Abendessen prahlten sie manchmal damit, wie spontan die Reaktion ihrer Zuhörer gewesen sei, was sie während Noguchis Wahlkampagne nie getan hatten.

    Sie hatten sowohl fnanziell wie gesellschaftlich alles verloren, was man verlieren kann. Dafür hatten sie ein stilles, geläutertes Glück gefunden – wenigstens liebte es Noguchi in letzter Zeit, das zu denken. Es war eine etwas zu naive romantische Vorstellung, die zwar in Noguchis Alter verständlich war, aber nich in Kazus. Zuweilen übertrieb er seine Sentimentalitäten und brachte eines Tages sogar auf dem Heimweg vom Zentralbüro der Reformpartei einen Topf mit eine Orchidee mit nach Hause.
    Als Kazu ihm zur Begrüßung entgegenging, rief sie entsetzt: »Um Himmels willen! Hast du den Topf etwa selber nach Hause getragen? Wenn de Blumenladen ihn nicht schicken konnte, hättest du doch anrufen können. Dann
    hätte ich das Mädchen geschickt, um ihn zu holen!«
       Sie hatte noch nicht einmal einen Blick auf die Blume geworfen, als sie dies – in keineswegs freundlichem Ton – sagte. Daraufhin verschlechterte sich Noguchis Laune, er drückte Kazu den Topf in die Hand, und da erst erkannte sie die Pfanze: es war die gleiche Blume, deren Namen er ihr genannt hatte, als sie zum erstenmal zusammen im Restaurant Seijoken zu Mittag gespeist hatten.
       Diese Entdeckung hatte etwas Bedrückendes für sie. Die Aufmerksamkeit, die er ihr am Wahltag bezeigt hatte, indem er den Anzug trug, den Kazu ihm hatte machen lassen, hatte sie tief beeindruckt. Aber diese Orchidee weckte keinerlei Empfndung in ihr. Sie sah die welke Hand eines alten Mannes, der sie mit allen Mitteln zu sich hinziehen wollte. Sie spürte, daß er durch diesen Einfall mit der blutrotgetupften Orchidee versuchen wollte, die in ihrer Erinnerung bereits verblichene Blume durch diese neue zu ersetzen. Sie

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