Nach dem Sturm: Roman (German Edition)
ohne etwas zu essen oder Wasser mitzunehmen, gingen sie zu dem Wagen und betätigten die Zündung. Zunächst jaulte der Motor nur erbärmlich, dann sprang er an, und noch bevor sie gewendet hatten und losfuhren, rannten drei weitere Frauen los und sprangen auf die Ladefläche des Pick-ups. Kurz darauf waren sie verschwunden.
Übrig blieben die Schwangere und zwei nicht schwangere Frauen sowie Evan, Mariposa und Brisco. Und das Kind, das noch nicht mal einen Tag alt war. Cohen strich sich über den Bart und schaute sich um. Dann kniete er sich hin und durchsuchte den Schlüsselring nach dem Zündschlüssel für den Jeep. Er fand ihn, zog ihn ab und steckte ihn in die Tasche. Dann ging er zu dem Transporter, an den Aggie gefesselt war, fasste in seine Brusttasche und zog die Zigaretten und das Feuerzeug heraus. Der Regen prasselte auf den verrosteten Anhänger, und es klang wie der Rhythmus einer Musik irgendwo weit weg in einer Blueskneipe in New Orleans.
»Du könntest mein Bruder sein«, sagte Aggie mit demütigem Unterton.
Cohen sah ihn an, schüttelte den Kopf, beugte sich vor und zündete sich eine Zigarette an. Dann ging er wieder zu den anderen zurück, die jetzt in einem Kreis zusammenstanden und sich an den Händen hielten. Die schwangere Frau weinte. Sie waren durchnässt und völlig erledigt, aber das schien jetzt nicht wichtig zu sein. Es wirkte, als hätten sie akzeptiert, dass sie ein Teil von dem waren, was vom Himmel kam. Er schaute sich nach Mariposa um, entdeckte sie aber nicht. Cohen ließ sie in Ruhe, er wollte sich nicht einmischen, wenn sie Dinge besprachen, die sie gemeinsam ertragen hatten. Er ging zu dem Wohnwagen, der Joe gehört hatte. Kleider lagen durcheinander herum, außerdem standen leere Plastikflaschen und leere Bier- und Whiskeyflaschen auf dem Tresen der Campingküche. Eine Schale voller Zigarettenkippen stand neben dem Bett auf dem Boden. Cohen fand eine Jeans, die die richtige Größe zu haben schien, und warf sie sich über die Schulter. Dann stieg er aus Joes Wohnwagen und ging zu dem Trailer, in dem die Frau das Kind geboren hatte.
Er zog die Tür auf, und der unangenehme Geruch des Todes schlug ihm entgegen. Er trat zurück. Es war nicht viel Licht vorhanden, aber er steckte den Kopf hinein und schaute die Frau an, die da mit ausgebreiteten Beinen und eng anliegenden Armen unter der blutgetränkten Decke lag. Ihr Kopf war zur Seite gefallen, der Mund stand weit offen. Er starrte sie eine Weile an, dann ging er hinein und blieb am Fuß des Betts stehen.
Unter seinen Füßen war getrocknetes Blut. Die Decke über ihren Beinen klebte an ihr fest, und ihre nackten Brüste waren mit Blut verschmiert. Ihre nackten Füße ragten unter der Decke hervor. Ihre Hände, die nie das eigene Kind gehalten hatten, lagen neben ihr. Die Szene spielte sich in seinem Kopf noch einmal ab, wie die Wiederholung eines schrecklichen Traums, und er schüttelte den Kopf, um sich davon zu befreien. Dann schaute er sich weiter um und fand die schwarze Tasche. Sie stand geöffnet auf einem kleinen Tisch neben dem Bett, neben einem Stapel Handtücher und einem Kanister mit Wasser. Er schaute hinein und fand das Spray und das Verbandszeug, das Aggie bei ihm benutzt hatte. Er zog die Hose aus, nahm den Verband von seinem Bein ab und wusch es mit dem Wasser ab. Dann sprühte er das Spray auf die Vorder- und Rückseite der Schusswunde und band einen frischen Verband um den Oberschenkel. Als er halbwegs zufrieden damit war, zog er die Jeans an, die er aus Joes Wohnwagen mitgebracht hatte, und warf wieder einen Blick auf die Frau. Sie wirkte jetzt wie eine Erscheinung, wie etwas, das aus der Unterwelt zu ihnen gesandt worden war, um sie zu warnen.
Er senkte den Kopf und flüsterte einen halben Satz. Er horchte auf den Regen. Und dann brach ein ohrenbetäubender Donner los, dessen Echo durch die Nacht dröhnte. Er fragte sich, ob er etwas verloren hatte. Vielleicht hatte er auch etwas gefunden.
Als er hinausstieg, hatten die anderen ihren Kreis aufgelöst und fingen an, die Wohnwagen zu plündern, in die Aggie sie nicht reingelassen hatte. Alle außer Mariposa beteiligten sich. Sie stand für sich und schaute Cohen an, als wartete sie auf ihn. Er humpelte zu ihr. Hielt ihr eine Zigarette hin, aber sie schüttelte den Kopf.
»Du siehst nicht aus, als hättest du viel abgekriegt«, sagte er. »Aber mein Hals tut immer noch ganz schön weh.«
Mariposa verschränkte die Arme. »Führst du uns hier
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