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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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wenn man in so einem Moment an Sex denkt? Weil … ich hätte ihn gevögelt, glaube ich. Wenn er es versucht hätte. Mama hätte verrecken können, und ich habe daran gedacht, wie verdammt gut es sich früher angefühlt hat, mit ihm zu schlafen und dass wir dazu nie genug Gelegenheit hatten. Was bin ich eigentlich für ein Wichser?«
    Seit einer Dreiviertelstunde redete Andreas ununterbrochen. Er wiederholte sich, stotterte und weinte. Köninger hielt ihn nicht auf, reichte ihm lediglich von Zeit zu Zeit die Box mit den Taschentüchern. Glücklicherweise hatte Andreas den letzten Termin an diesem Tag erwischt, sodass zeitlich Luft nach hinten war. Zu viel war geschehen, um es in den eng bemessenen Rahmen von sechzig Minuten zu quetschen.
    »Ich fasse das alles nicht. Ich weiß nicht, wie ich zurechtkommen soll. Ich habe rasende Angst vor den nächsten Tagen und Wochen. Gut, die Firma bleibt mir erspart. Denke ich, hoffe ich. Mein Opa will es machen, und mein Vater ist deswegen stocksauer. Ich wette, er ist enttäuscht von mir. Kann gar nicht anders sein. Die beiden haben sich noch nie verstanden. Und jetzt sollen sie zusammenarbeiten. Alt und grau werden. Was wollte er damit sagen? Dass Papa hoffentlich eher begreift als er, was los ist? Wohin hat uns das gebracht? Abgesehen davon, dass Sascha auf einmal im Tierheim steht und mich ins Krankenhaus fährt und jetzt weg ist und ich darüber nicht so glücklich bin, wie ich es sein sollte.
    Er will heute Abend vorbeikommen. Er hatte Vorlesungen. Das sollte mir total egal sein, oder? Wir haben nichts mehr miteinander. Er bedeutet mir nichts mehr. Und trotzdem … ich war so froh, als er sagte, dass er wiederkommt. Ich habe Angst davor, allein zu sein und dann kommt ein Anruf, der … Sie wissen, was ich meine. Was, wenn sich die Wunde entzündet? Ich hätte etwas sagen müssen. Stattdessen habe ich nur dumm geguckt. Meine Mutter liegt im Krankenhaus, und ich schaue sie an wie ein Bus. Das ist doch krank! Ich hätte irgendetwas sagen sollen.«
    Andreas unterdrückte einen Schluckauf und redete ungehemmt weiter. Köninger beobachtete ihn und signalisierte Geduld und Interesse. Seine ruhige Ausstrahlung tat Andreas gut.
    »Sascha – was soll ich mit ihm machen? Ich meine, für alles andere findet sich irgendwie eine Lösung. Ja, es geht mir nicht gut, und das wird eine Weile so bleiben. Ja, ich habe Angst. Vor allem. Aber …«, Andreas zwang sich, langsamer zu werden. Ihm schmerzte die Kehle vom schnellen Reden am Rand zum Schreien. »Okay, okay. Ganz ruhig. Meine Mutter wird versorgt. Das Tierheim weiß Bescheid, aber sie brauchen mich doch. Triton braucht mich. Sie wissen zumindest, was los ist. Mein Opa … geht in die Firma. An meiner Stelle. Mal ehrlich, was soll das eigentlich bringen? Keiner von uns kann helfen. Er ist lange raus, und ich habe keine Ahnung von albanischen Sommertrüffeln. Ich habe nicht einmal Ahnung von ordinärer Buttermilch! Aber von mir aus. Nur … was zum Teufel mache ich mit Sascha?«
    Zum ersten Mal seit Beginn von Andreas’ Redeschwall meldete Köninger sich zu Wort: »Was denkst du denn, was du mit ihm machen solltest? Oder viel mehr, was glaubst du, was von dir erwartet wird?«
    »Na, das ist ja wohl ziemlich offensichtlich, oder? Hölle, als ich heute Mittag aufgewacht bin, hatte ich ihn fast aus dem Bett gedrängt. Ich weiß noch, dass ich irgendwann im Halbschlaf auf einmal dachte: Hey, was machst du es dir schwer? Er ist da, er ist warm, er riecht gut und er will dir helfen. Und du hast so verdammt lange niemanden gehabt, den du umarmen konntest. Ich war wohl nicht ganz bei mir. Keine Ahnung. Aber jetzt muss ich dauernd daran denken, dass es nicht so schlecht war, verstehen Sie?«
    »Es hat dir geholfen«, nickte der Therapeut. »Das ist legitim, würde ich sagen. Du warst sehr aufgebracht, du hast dich einsam gefühlt. Sascha hat angeboten zu bleiben und sich um dich gekümmert. Ich finde, da ist es nicht verwerflich, seine Anwesenheit als etwas Positives zu verbuchen. Aber du hast meine Frage nicht beantwortet.«
    »Welche Frage?«
    »Was denkst du, welche Erwartungen an dich gerichtet werden? Du scheinst dir sicher zu sein, dass Sascha etwas Bestimmtes von dir will, wenn er heute Abend wiederkommt.«
    »Ja, natürlich. Sie haben doch wochenlang gesagt, dass sein Brief und sein Verhalten darauf deuten, dass er noch Interesse an mir hat und gern wieder mit mir zusammen wäre. Habe ich … meinem Sie, dass … also … wie jetzt?«,

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