Nachsuche
sonst wird er verrückt.
Als er vor der Werkstatt hält, kommt Corinna aus dem Haus gelaufen. Sie steckt in Arbeitshosen und ihre Hände sind ölverschmiert. Obwohl er nicht in Stimmung ist, muss er doch feststellen, wie gut die Frau auch in dieser Verkleidung aussieht.
»Kevin ist nicht da«, sagt sie.
»Und Sie wissen nicht, wo er ist.«
»Nein«, antwortet sie düster. »Wenn Sie es nicht wissen. Er war doch bei Ihnen.«
Dann fährt sie Noldi an.
»Was haben Sie mit ihm gemacht? Er sollte längst zurück sein. Wir haben einen Haufen Arbeit.«
»Ich habe ihm gesagt, dass er unter dem dringenden Verdacht steht, Berti Walter umgebracht zu haben. Und er ist getürmt.«
Corinna schüttelt heftig den Kopf.
»Er hat sie aber nicht umgebracht.«
»Wieso sind Sie so sicher?«, fragt Noldi. »Waren Sie es?«
»Ich habe Ihnen gesagt, warum er es nicht gewesen sein kann.«
»Das haben Sie, ja«, bestätigt Noldi. »Aber, Frau Pfähler, entweder Sie sind sehr gutgläubig oder Sie treiben ein ganz fieses Spiel mit mir. Hatten Sie wirklich keine Ahnung, dass Ihr Mann weit mehr von Computern versteht als Sie?«
»Woher wollen Sie das wissen?«, fragt Corinna und ihr Gesicht verdunkelt sich.
»Von seiner früheren Verlobten.«
Da funkelt die schöne Frau Pfähler ihn verächtlich an.
»Ach, und diesem schlitzäugigen Miststück glauben Sie mehr als mir. Dann sind aber Sie der Naivling.«
Noldi verkneift sich eine giftige Bemerkung. Stattdessen sagt er nur: »Wenn Kevin untertaucht, macht er sich erst recht verdächtig. Verstehen Sie?«
»Ja«, sagt Corinna, aber es klingt nicht überzeugt.
Noldi seufzt. Das wird nichts, denkt er verzagt. Wäre es nicht am besten, sie überwachen zu lassen? Aber bis ein Abhörantrag genehmigt wird, dauert es. Inzwischen, hofft er, kann er die Sache selbst klären.
Er sagt: »Rufen Sie mich sofort an, wenn Ihr Mann sich meldet. Glauben Sie mir, es ist das Beste für ihn, dass er sich stellt. Sollte er unschuldig sein, hat er nichts zu befürchten.«
»Na prima«, sagt Hans Beer beim Rapport am selben Abend. »Ihr seid wirklich ein Haufen Dilettanten. Da gehörst du auch dazu, Oberholzer. Was ist dir eigentlich eingefallen, den Mann in Turbenthal zu verhören? Du weißt, dass du für die Befragung von Mordverdächtigen einen zweiten Beamten zuziehen musst.«
»Ich weiß«, nickt Noldi. »Das war blöd von mir. Nur, Pfähler sagt, er sei es nicht gewesen.«
Hans Beer schnaubt wie ein angestochenes Walross.
»Das ist etwas ganz Neues«, höhnt er, »dass ein Mörder sagt, er war es nicht. Wie auch immer. Jedenfalls ist er jetzt über alle Berge. Wir haben einen verletzten Mönch und unser Ruf ist im Eimer. Die Polizei verursacht im Einsatz einen Unfall, fährt einen Fußgänger über den Haufen. Und erst noch auf dem Fußgänger-Streifen. Schlimmer kann es gar nicht kommen. Es ist zum Haare Ausraufen. Ihr wisst, wie die Öffentlichkeit darauf reagiert. Die einen werden sich maßlos aufregen und die anderen lachen sich kaputt über uns.«
So wütend hat Noldi den Chef selten gesehen.
Die anderen Kollegen schauen vor sich hin. Der Fahrer des zweiten Wagens bricht beinahe in Tränen aus. Es war sein erster Einsatz und er hat es genossen, das rotierende Blaulicht, das Martinshorn und die Raserei.
»Also«, sagt Beer abschließend, »die Mannschaft des zweiten Wagens tritt ab morgen zu einem Fahrkurs an, in der Freizeit wohlgemerkt, und du, Noldi, kommst mir erst unter die Augen, wenn du diesen Pfähler bei uns ablieferst. Verstanden?«
»Ja, Chef«, sagt Noldi mit mehr Zuversicht, als er empfindet. »Den kriege ich schon.«
Während sein Vater gegen die Widrigkeiten des Schicksals kämpft, ist Pauli mit seinem Freund Bayj zum Schnurberg unterwegs. Sie steigen das erste steile Stück hinauf. Um diese Jahreszeit ist kaum Verkehr, denn die Beiz oben auf der Alp hat geschlossen.
Der Junge ist nach der Schule gleich zur Tante nach Turbenthal gefahren und hat bei ihr zu Mittag gegessen. Er weiß noch nichts von dem Unfall in Rikon, in den unfreiwillig sein Vater verwickelt war. Zwar hat Meret ihre Schwester angerufen und berichtet. Betti hat jedoch bereits davon gewusst. Das Tösstal ist zu eng, als dass sich solche spektakulären Nachrichten nicht sofort in Windeseile verbreiteten. Die Schwestern fanden es besser, wenn Noldi seinem Sohn selbst alles erzählt.
So marschiert Pauli, den Hund an der Leine, unbeschwert die Straße hinauf. Nach dem ersten Steilstück nimmt Bayj
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