Nachsuche
Auto gepackt hat, schickt Noldi als Letzten auch den Einsatzwagen weg.
Ich komme schon nach Turbenthal, sagt er zu den Kollegen. Ich gehe gern das Stück zu Fuß.
Doch bevor er sich auf den Heimweg begibt, streift er noch einmal allein durch das Haus. Es ist in denkbar schlechtem Zustand, vollgestopft mit Gerümpel und Abfall, genau, wie es Hablützel beschrieben hat. Überall liegt dick der Staub. Die Spurensicherung konnte sich auf die Werkstatt und den angrenzenden Raum beschränken. Offensichtlich hat sich Kevin nur in diesem einen Zimmer aufgehalten. An der unberührten Staubschicht ist unschwer abzulesen, dass schon lange niemand die anderen Räume betreten hat. Noldi geht zurück in die Werkstatt, wo die Kollegen den Tatort gesichert haben. Er will wissen, womit Kevin sich in seinem Versteck die Zeit vertrieben hat. Obwohl, denkt er, lange war er nicht hier. Einen Tag und eine Nacht, nicht viel mehr.
In der Kammer hinter der Werkstatt befindet sich nur ein Bett mit einer schmutzigen, zerwühlten Decke. Darauf muss Kevin gelegen sein. Sonst hat er scheinbar nichts angerührt. Vielleicht hat er gegrübelt, wie er aus der verfahrenen Situation wieder herauskommt. Aber wenn er unschuldig ist, was Noldi annimmt, wozu dann überhaupt die ganze Aktion? Was hat Kevin sich dabei gedacht, als er vom Polizeiposten abgehauen ist?
Da muss etwas dahinterstecken, denkt Noldi, das er noch nicht herausgefunden hat.
Vor dem Haus hupt ein Auto. Dann hört er seinen Namen rufen.
Meret, denkt Noldi, sie ist zurückgekommen. Er stürmt seiner Frau entgegen. Sie fällt ihm um den Hals, küsst ihn, drückt ihn, als hätte sie ihn eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. So kommt es ihr vor, und auch Noldi hat in ihren Armen das Gefühl, endlich aus einem Albtraum zu erwachen.
»Wo ist Pauli?«, fragt er.
»Bei den Hablützels. Ich habe mir gedacht, am besten, er kann jetzt mit Bayj zusammenbleiben. Nachdem sie gehört haben, was Pauli erlebt hat, ist die Strafpredigt von Hans eher gedämpft ausgefallen.«
»Das hast du gut gemacht«, sagt Noldi und hängt sich bei seiner Frau ein, während sie zum Auto gehen.
»Der Junge ist wahrscheinlich recht durcheinander. Obwohl er sich nichts anmerken lässt.«
»Wäre auch nicht normal«, sagt Meret, »wenn es ihn nicht mitgenommen hätte, einen Ermordeten zu finden.«
Noldi muss noch die Türe zusperren.
»Komm«, sagt er dann. »Wir holen Pauli ab und fahren nach Hause.«
Als er seinem Sohn gegenübersteht, nimmt er sich zusammen und sagt in möglichst sachlichem Ton: »Du bist ein Held, aber ich möchte nicht, dass du noch einmal so einen Alleingang unternimmst.«
Pauli lächelt schief und sagt: »Bayj war bei mir.«
»Den du entführt hast«, poltert der Onkel, weil er Angst hat, man könnte ihm seine Rührung ansehen.
An diesem Abend hat Meret zwei angeschlagene Männer im Haus. Sie kocht eine große Kanne voll Kamillentee, denn Pauli ist völlig überdreht. Er schwatzt und schwatzt und erzählt, wie er den Männern der Spurensicherung zugeschaut hat und dass sie ihm Gummihandschuhe gegeben haben und er die Plastikbeutel halten durfte, in denen sie ihre Ausbeute verpackt haben. Einer von ihnen, selbst Vater von drei Kindern, ließ ihn sogar die beschrifteten Etiketten auf die Säcke kleben.
Fitzi ist ebenfalls aus dem Häuschen, als sie hört, was passiert ist. Sie will alles genau wissen, Vater und Bruder müssen immer noch einmal erzählen, was sie erlebt haben. Im Gegensatz zu Pauli, der vor Aufregung glüht, ist Noldis Stimmung gedrückt. Er macht sich Vorwürfe und fühlt sich nach wie vor schuldig an Kevins Tod.
Nur mit einem Ohr hört er seine Tochter fragen: »Und, Pauli, die Leiche?«
Das ist der Punkt, an dem der Redefluss des Jungen ins Stocken gerät.
Noldi hört die gepresste, eher widerwillige Stimme seines Sohnes sagen: »Zu viel Blut.«
Aufmerksam geworden, denkt er, wird noch eine Weile dauern, bis der Junge das Erlebnis verdaut hat, und er nimmt sich vor, ein Auge auf ihn zu haben.
Doch Pauli ist härter im Nehmen, als sein Vater befürchtet. Er findet, er habe seine Aufnahmeprüfung in den Polizeidienst ganz gut bestanden und wendet sich bereits der Feuerprobe einer ganz anderen Art zu, die auf ihn wartet.
»Schreibst du mir eine Entschuldigung?«, erkundigt er sich betont nebenbei bei seiner Mutter. »Weil ich doch in der Schule gefehlt habe.«
Noldi schaut zu seiner Frau. Meret nickt ihm unmerklich zu. »Das«, sagt sie, »sehen wir morgen. Jetzt
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