Nachsuche
die Tote diese Adalberta Walter aus Weesen ist, sind sie ein gutes Stück weiter. Dann zeigt sich schnell, wie ihr Leben organisiert war und ob es Verwandte gibt.
Er schaut sich neugierig weiter um. Mit ein wenig Glück, sagt er sich, findet er hier genügend Spuren von dem, der sie auf dem Gewissen hat. Immer vorausgesetzt, es war Mord, ermahnt er sich zum x-ten Mal. Das steht immer noch nicht eindeutig fest. Sie war zuckerkrank.
Halt, denkt er, die Medikamente.
Er geht ins Schlafzimmer. Den größten Teil des Raumes nimmt das Bett ein. An der Wand gegenüber befindet sich ebenfalls ein Flachbildschirm. Und auch hier ist eine Stereoanlage installiert. In der Nachttischschublade liegt Schmuck, eine Halskette, die echt aussieht, zwei Ringe, einer mit einem blauen Stein und ein schwerer goldener Siegelring mit einem Wappen darauf, dazwischen Modeschmuck, Ketten, Armreifen, Ohrclips, alles kunterbunt durcheinander, aber wenig wirklich Wertvolles. Entweder hat sie die guten Stücke in einem Banksafe oder sie hat sich nicht für teuren Schmuck interessiert, oder aber jemand hat sich bedient. Kann gut sein, dass einer da gewühlt hat. Er rührt gedankenverloren mit dem Zeigefinger in dem Gewirr. Dabei kann er nichts Auffälliges entdecken. Wieder fallen ihm die Medikamente ein.
Bevor er die Nachttischlade schließt, schiebt er noch mit seinem behandschuhten Finger vorsichtig den Klumpen Schmuck beiseite. Auch darunter ist nichts, nur Einlegepapier mit winzigen rosaroten Rosen darauf.
Wo hat die Frau ihre Geheimnisse aufbewahrt?, fragt er sich und macht sich endlich auf die Suche nach Medikamenten.
Er kann das Badezimmer nicht finden. Erst als er der Reihe nach die Türen in der Schrankwand öffnet, entdeckt er den getarnten Durchgang. Das Bad ist riesig, ausgestattet mit einer kreisrunden Wanne, nicht in den Boden eingelassen, sondern erhöht in einer Ecke, sodass man aus dem gegenüberliegenden Fenster bis hinunter zum See sieht, wenn man im Wasser liegt. Daneben befindet sich eine Dusche mit eingebautem Sitz, alles stromlinienförmig und strahlend weiß. Auch hier Teppichboden, diesmal aus einem blassrosa Material, vermutlich wasserabstoßend, denn es gibt keine Badematte. Nichts lässt auf einen männlichen Mitbewohner schließen, keine zweite Zahnbürste, keinen Rasierapparat. Dafür besitzt Berti eine reiche Auswahl an Kosmetika, Sachen, von denen er nicht einmal weiß, wozu sie gut sind. Aus einer Bürste mit Schildpattrücken zupft er vorsichtig ein paar Haare. Sie scheinen alle von ein und derselben Person zu stammen, unterscheiden sich aber in der Farbe. Es gibt welche in mausbraun und solche in blond. Vorsichtig verstaut er sie in getrennten Plastiksäckchen. Er darf, ermahnt er sich, keine Spuren hinterlassen und keine vernichten. Wegen der St. Galler Kollegen. Für den Fall, dass sie mit der Spurensicherung kommen. Einen Moment hat er ein schlechtes Gewissen ihnen gegenüber. Aber die moralische Anwandlung dauert nicht lange. Er erinnert sich, was für einen lausigen Job die Spurensicherung im Neubrunnertal gemacht hat. Zugegeben, es war damals noch sehr früh und ein besonders unfreundlicher Tag.
Im Wäschekorb befindet sich keine Schmutzwäsche. Das Medizinschränkchen in Luxusausführung enthält zu Noldis Enttäuschung nichts als Kopfwehtabletten, Körperpuder und Wundpflaster.
Sie war zuckerkrank und hat jeden Tag gespritzt, denkt er. Wo, zum Teufel, sind die Insulinspritzen?
Er entdeckt sie später in der Küche, in der Tischschublade. Dort liegt ihr ganzes Injektionsbesteck, die Pens, daneben tatsächlich auch altmodische Spritzen, aber kein Rezept und nichts, was Aufschluss darüber gäbe, wer ihr Hausarzt war. Noldi atmet auf, er hat schon befürchtet, er könnte mit seinen Vermutungen über die Identität der Toten auf dem falschen Dampfer sein.
Die Küche ist ein schmaler Raum, nur mit einem Tisch für höchstens eine Person, sonst aber mit allen Schikanen: Zwei Backöfen übereinander, Tiefkühlschrank, Kühlschrank, Geschirrspüler, Induktionsherd, Einbauschränke voll Geschirr. Unter dem erhöhten Fenster erstreckt sich von Wand zu Wand eine Arbeitsfläche aus Chromstahl, steril wie im Leichenschauhaus.
Alles vom Feinsten, denkt Noldi anerkennend. Bei der Einrichtung ihrer Wohnung hat sie mit nichts gespart.
Im Kühlschrank dafür gähnende Leere bis auf einen angebrauchten Becher Erdbeermarmelade, ein volles Glas Essiggurken, eine Dose Maiskörner und unten im Gemüsefach das
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