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Nachsuche

Nachsuche

Titel: Nachsuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuhn Kuhn
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Ersatzinsulin.
    Interessant, sagt er zu sich selbst. In Wirklichkeit aber hat er das Gefühl, immer weniger zu verstehen. Wo sind die Reste der Schokoladetorte, die sie zuletzt gegessen hat, wo die Prosecco-Flasche? Sicher wurde da, vermutlich nach Bertis Tod, aufgeräumt. Aber was hat man verschwinden lassen? Was ist liegen geblieben? Warum gerade Essiggurken, Maiskörner und Confitüre? Wenn man schon ausräumt? Er tappt zurück ins Schlafzimmer, deckt das sauber gemachte Bett ab. Keine Schamhaare, keine Spuren von Geschlechtsverkehr auf dem Leintuch.
    Verwirrt nimmt er sich den riesigen Kleiderschrank vor. In seinen Augen war Berti Walter kein Typ für Spitzenunterhöschen. Aber davon versteht er nicht viel. Nur eines weiß er, seine Frau würde ihm solche Reizwäsche mit Genuss um die Ohren schlagen, sollte er ihr einmal so etwas nach Hause bringen.
    Vorsichtig schiebt er die dicht an dicht hängenden Jacken Hosen und Röcke auseinander, befühlt alle Säcke. Sie sind leer. Alles gediegen, sicher teuer, aber unauffällig, relativ große Größen. Fehlt auch hier etwas?, fragt er sich. Kaum, denn da hat nicht viel mehr Platz. An einem Ende der vollgestopften Stange sieht er zwei leere Kleiderbügel.
    Er öffnet noch die Schubladen. Es riecht nur ganz schwach nach Parfum. Auch hier sonst nichts Besonderes, da ein Blümchen an einem Büstenhalter und da ein Schleifchen, keine Reizwäsche. Nur die Spitzenunterhosen, die sie anhatte, und diese Pantöffelchen im Wohnzimmer. Komisch, denkt er. Er fotografiert alles, die Medikamente in der Küchenschublade, das Bett, den Schmuck im Nachttisch, den offenen Kleiderschrank, die Pantöffelchen, die Kosmetika im Bad, den leeren Korb für die Schmutzwäsche. Auch im Zimmer neben der Küche, das offensichtlich als Arbeitsraum gedacht ist, kann er keine Aufschlüsse über das Leben dieser Berti Walter finden. Das Bügelbrett ist aufgestellt, die Bügelstation, installiert, sicher das Neueste und Teuerste auf dem Markt. Aber es gibt keine Wäsche, im Flickkorb keine löchrigen Socken, keine angefangene Strickerei. Nichts, nicht einmal ein Stäubchen auf dem Boden lässt darauf schließen, dass die Frau wirklich hier gelebt hat. Wieso hat Berti keinen Kram gehabt, irgendetwas, das nicht in dieses Musterbeispiel aus ›Schöner Wohnen‹ passt?
    Seufzend macht er sich schließlich über den Schreibtisch her. Er stöbert in den Fächern, doch auch sie enthalten außer Briefpapier ohne Namensaufdruck, Kuverts und einem gewöhnlichen Adress- und Namensstempel nichts Interessantes. Im Rollschrank entdeckt er Ordner, die mit der Aufschrift ›Frisco‹ versehen sind. Im letzten der Reihe liegen obenauf einige nicht abgeheftete Bankbelege, die Noldi ebenfalls fotografiert. Es handelt sich um die Buchhaltung eines Coiffeursalons hier in Weesen.
    Noldi schnauft. Wieso hat er gemeint, die Lösung für Bertis Tod läge im Bett oder im Bad? Er ist elektrisiert, notiert sich die Adresse des Salons. Soll er gleich hinfahren, Fragen stellen, oder geht das den Kollegen gegenüber zu weit?
    Bertis Wohnung ist ihm die große Entdeckung, den genialen Einfall, den er sich erhofft hat, schuldig geblieben. So kommt es ihm zumindest vor. Er geht noch auf die Terrasse. Sie ist rechts und links von Dachschrägen eingefasst und dadurch vor Wind geschützt. An der einen Seitenwand stehen Blumenkisten, die den Sommer über vermutlich in den Halterungen am Geländer hängen. Jetzt sind sie leer.
    Er verstaut seine Beute, meldet sich beim Hauswart ab und fährt schnurstracks zurück an den See. In die Altstadt ist es ein Katzensprung. Das Jagdfieber hat ihn gepackt. Noch nie ist ihm ein Fall wie dieser untergekommen. So undurchsichtig, so widersprüchlich. Noch nie war er so versessen, hinter ein Geheimnis zu kommen.
    Notfalls, überlegt er unterwegs, kann er im Coiffeursalon seine Haare schneiden lassen.
    Der Salon ›Frisco‹ befindet sich in der Kruggasse gegenüber vom Nonnenkloster. Noldi schlendert zunächst einmal daran vorbei, betrachtet die Klostermauer, dreht sich dann neugierig um. Durch das Schaufenster sieht er zwei uniformierte Polizisten im Laden stehen. Das, denkt er, ist ihm zu heiß. Eilig kehrt er zu seinem Auto zurück, steigt ein und fährt nach Winterthur, direkt auf den Polizeiposten.

8. Nadelstiche
    »Du bist einfach in die Wohnung. Kühn«, sagt Hans Beer. »Ich habe dir doch aufgetragen, du sollst bei den St. Galler Kollegen anrufen.«
    »Habe ich gemacht«, erklärt Noldi

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