Nachsuche
geht er zur Stationsschwester, um sie auszuhorchen.
Sie erzählt ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit, die Ärzte befürchteten einen irreparablen Hirnschaden, hervorgerufen durch einen Schock oder was auch sonst.
Die Überraschung ist perfekt, als Noldi hört, dass der Verdacht nicht auszuschließen sei, an Kläuis Wagen könnte manipuliert worden sein. Mit der Lenkung war etwas nicht in Ordnung.
Jetzt versteht Noldi gar nichts mehr.
Wer soll das getan haben? Hängt das, fragt sich Noldi, mit dem Fall Berti Walter zusammen oder gibt es dafür einen ganz anderen Grund, einen, der ihn nichts angeht? Das hofft er sehr, aber noch, sagt er sich, kann er nichts ausschließen. Vielleicht hat der Herr Notar Berti doch umgebracht, und ein anderer hat es ihm heimgezahlt.
Wenn ja, wer weiß davon?
Kann es sein, überlegt er, dass Berti sich gerächt hat, weil Kläui keine Scheidung wollte? Er erinnert sich an das Gespräch mit Ilse Biber. Aber Berti ist tot. Wie sollte sie einen solchen Anschlag inszenieren. Vielleicht hat sie im Voraus geplant. Ist das denkbar? Denkbar schon, sagt er sich, aber ob es irgendeiner noch so irren Realität entspricht? Daran zweifelt er. Viel wahrscheinlicher ist, dass der Notar sich beruflich Feinde gemacht hat. Ein unzufriedener Kunde, ein rachsüchtiger Verlierer. Kann Kläui irgendjemanden betrogen, ausgenützt oder erpresst haben?
Er nimmt sich vor, die Frau danach zu fragen. Vorsichtig natürlich. Sie hat schon auf die Nachricht, dass Berti umgebracht worden ist, überreagiert. Seltsam. Wo sie sonst so beherrscht wirkt.
Er setzt sich ins Auto und fährt nach Sissach, um die Kollegen dort nach Einzelheiten des Unfallhergangs zu fragen.
Auf dem Polizeiposten ist ein einziger Mann vorhanden. Noldi kennt ihn flüchtig von einem Weiterbildungskurs. Er ist klein, gedrungen mit rotem, rundem Kopf. In Kollegenkreisen gilt er als scharfer Hund.
Noldi begrüßt ihn und kommt dann gleich zur Sache.
»Sag, was ist wirklich mit dem Auto von diesem Kläui los? Da soll manipuliert worden sein?«
Der andere antwortet kurz angebunden, er sei nicht mit dem Fall betraut.
Noldi meint: »Ich bin aus dem Bericht nicht schlau geworden.«
»Du hast das Protokoll angefordert? Wieso?«
»Ich bin an einem Fall, in den der Notar verwickelt ist.«
»Deine Leiche aus dem Neubrunner Wald. Wir haben davon gehört.«
»Und was?«, will Noldi wissen.
»Nicht viel mehr, als dass sie nackt war.«
»Ja«, seufzt Noldi, »für mehr interessiert sich keiner. Deshalb ist es auch an mir hängengeblieben.«
Der Kollege grinst, gibt aber keinen weiteren Kommentar ab, sondern sucht herum, bis er von irgendwo ein dünnes Dossier herbeizaubert. Er blättert und sagt dann: »Da ist noch gar nichts klar. Nur dass es vielleicht eine Manipulation gegeben haben könnte. Alles Weitere muss erst abgeklärt werden. Und das wird dauern.
Wenn du mich fragst, besonders schlimm kann es nicht sein. Der Idiot hat seine Nerven gleich weggeschmissen. Nur eines scheint sicher. Wenn manipuliert worden ist, dann muss es hier in Sissach passiert sein. Sonst wäre er nicht bis hierher gekommen.«
»Hat er den Wagen hier längere Zeit abgestellt?«
»Scheint so. Er hatte einen Termin bei einem Klienten. Die Parkplätze liegen hinter dem Bürogebäude. Sind also relativ belebt.«
Trotzdem fragt Noldi: »Und der Klient, kann der etwas mit der Sache zu tun haben?«
»Kaum. Es handelt sich um unseren größten Immobilienmakler.«
»Ja, aber …«, setzt Noldi an.
»Ich weiß, was du sagen willst. Nur, er scheint sauber zu sein. Mehr, fürchte ich, kann ich dir nicht sagen«, erklärt der Kollege abschließend. »Ich hoffe, es nützt dir trotzdem.«
»Na ja«, sagt Noldi, »wenn es mit dem Immobilienhai zusammenhängt, hätte es zumindest nichts mit meinem Fall zu tun. Nur die Möglichkeit, dass es sich doch um einen Selbstmordversuch handelt, ist, genau genommen, damit nicht vom Tisch.«
»Nein.«
»Leider liegt Kläui seit dem Unfall im Wachkoma. Und niemand weiß, wo er sich zur Tatzeit aufgehalten hat.«
»Ist er verdächtig?«
»Theoretisch ja, er hatte früher ein Verhältnis mit dem Opfer. Und er war der Letzte, mit dem sie telefoniert hat.«
»Gibt es noch andere Verdächtige?«
»Jede Menge, wenn du so willst.«
»Gratuliere«, sagt der Kollege trocken.
Noldi bedankt sich und geht. Er steigt ins Auto, will eigentlich zurück nach Turbenthal. Während der Fahrt dreht und wendet er die neuen Informationen im Kopf
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