Nacht
Naomi?«
»Sie ist heute nicht zur Schule gekommen.«
»Hoffen wir, dass es keine Probleme gibt.«
»Wenn sie zusammenklappt, merken es ihre Eltern. Und wenn die etwas rauskriegen, droht uns allen Ärger …«
»Es geht nicht um uns, Alma. Es geht um sie. Ihre Gesundheit.«
Ich sehe ihn an und bin beinahe verlegen, als er mich mit einem forschenden Blick aus seinen veilchenblauen Augen durchbohrt, die heute noch intensiver leuchten als sonst. »Ich weiß … Das wollte ich gar nicht sagen.« Ich komme mir dumm vor, weil ich nach ihm gesucht habe.
Zum Glück stellt er keine weiteren Fragen. Vielleicht hat er verstanden, was ich meine. Vielleicht sind wir wieder im Einklang.
Um uns herum ist niemand mehr. Alle sind hineingegangen.
»Wir sollten besser los. Ich habe jetzt Sport. Und du?«
»Geschichte. Ich muss mich beeilen«, sage ich.
In der Eingangshalle trennen wir uns. Ich laufe schnell die Treppe hinauf, er wendet sich nach rechts zur Turnhalle.
Als ich am Labor vorbeieile, bekomme ich eine merkwürdige Szene mit. Agatha steht mit einem Glasbehälter in der Hand auf der Schwelle. Als sie mich sieht, tut sie, als wäre nichts, und versteckt den Behälter hastig in ihrem Rucksack. Ich muss an die Spritze denken, die ich neulich bei ihr gesehen habe.
Agathas Verhalten hat etwas Verschwörerisches. Das gefällt mir nicht. Vielleicht werde ich langsam phobisch, aber ich habe wirklich ein ungutes Gefühl.
Sie holt mich ein.
»Hey.«
Sie sagt nichts. Wir eilen ins oberste Stockwerk zu unserem Unterricht.
»Was hast du im Labor gemacht?«
Sie rückt ihren Rucksack zurecht. »Nichts, nur eine Formel für das Forschungsprojekt nachgesehen.«
»Welches Forschungsprojekt?«
»Ein Forschungsprojekt, mit dem mich Professor K. betraut hat.«
»Und dieses Glas?«
»Das hat er mir gegeben. Warum stellst du mir all diese Fragen?«
»Reine Neugier. War der Professor noch im Labor?«
»Ja, warum?«
»Ich muss ihn etwas fragen. Geh schon vor, ich komme nach.«
Ich will herausbekommen, was für ein Projekt er ihr anvertraut hat und warum nur ihr.
»Warte, Alma …«
Sie schafft es nicht, mich aufzuhalten, ich bin schon wieder unten im ersten Stock.
Ich stecke den Kopf ins Labor: verlassen. Agatha lügt mich an. Aber warum?
Eine Erklärung von ihr zu verlangen, ist vollkommen zwecklos, sie wird es mir nicht sagen, deshalb verliere ich darüber kein Wort mehr, als ich in die Klasse zurückkomme.
Die Wahrheit ist, dass wir beide etwas voreinander verbergen. Aber das kann sie nicht wissen.
[home]
Kapitel 37
A lma?«
Jennas Stimme dringt aus dem Flur in mein Zimmer, obwohl ich die Anlage voll aufgedreht habe. Ich bin gerade aus der Schule zurück und will nur mal ein, zwei Stunden meine Ruhe haben.
»Alma?«
»Was ist?«
Ich stelle die Musik leiser, als sie mit der Wucht eines Taifuns meine Tür aufreißt und hereinstürmt.
»Es ist etwas Schreckliches passiert.«
»Was?«
»Es geht um Gad.«
»Und?«
Ich kann es nicht leiden, wenn sie sechs Sätze braucht, um etwas mitzuteilen.
»Jemand hat die Kasse der Frittierstube ausgeraubt.«
Das wundert mich nicht, aber ich tue überrascht.
»Nein! Wann denn?«
»Gestern Nacht. Tea hat abgeschlossen, aber jemand hat ihr vor der Tür einen Schlag versetzt und sie gezwungen, den Kassenschlüssel herauszugeben.«
»Was ist mit ihr? Ist sie verletzt?«
»Nur eine leichte Prellung. Nichts Schlimmes. Aber diese Verbrecher haben die Einnahmen des ganzen Monats mitgenommen.«
»Der arme Gad.«
»Allerdings. Apropos Diebstahl. Du hattest doch vor einiger Zeit so etwas angedeutet. Du dachtest, dass Tea …«
Stimmt, ich hatte sie gewarnt. Aber das ist nicht der Moment, um Tea zu enttarnen. Zuerst muss ich sehen, dass ich das, was ich weiß, zu meinem Vorteil nutze.
»Das habe ich nur so dahingesagt. Du weißt, dass ich sie noch nie mochte. Es tut mir leid, dass es tatsächlich passiert ist.«
»Ja, aber sie kann es nicht gewesen sein. Sie kann das nicht alles inszeniert haben.«
Ich beiße mir auf die Zunge.
»Jedenfalls hat Gad Anzeige erstattet. Mal sehen, ob sie die Kerle schnappen.«
»Es waren also mehr als einer?«
»Laut Tea waren es zwei.«
Mit Sicherheit welche von ihren zwielichtigen Freunden. Vielleicht sogar Tito selbst. Tea hat sich eins überbraten lassen, um einen Überfall vorzutäuschen, und sich hinterher mit den beiden Typen getroffen, um den Coup zu feiern.
Ich ziehe Schuhe und Jacke an.
»Wohin gehst du?«
»Ich habe was
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