Nacht der Begierde (Geraldine Guthrie) (German Edition)
hinterher auch schlecht erklären, warum er von einem Moment auf den anderen weggegangen ist. Das macht ihn ein wenig anstrengend."
Geraldine wollte darauf nichts erwidern. Sie hatte ihre eigenen Erfahrungen mit Urbano gemacht. Und sie wollte keinesfalls die anderen ihre Hoffnungen spüren lassen, die sie bei Urbano hatte. Vor allem gegenüber Iaron versuchte sie vorsichtig zu sein. Manchmal sprachen seine Blicke Bände, wenn auch häufig nicht. Doch die Tierärztin vermutete, dass er seine Gefühle tatsächlich meist unter Kontrolle hatte, auf der einen Seite, um sich ihr nicht aufzudrängen, und auf der anderen Seite, um sie vor Enrico zu schützen. Enrico hatte wahrscheinlich wenig Probleme, sie als ein mögliches Hindernis für seine Beziehung zu Iaron zu sehen, auch wenn es Iaron selbst war, der einfach nicht in die sexuelle Orientierung des Werpumas hineinpasste. Doch in diesem Punkt stimmte sie Jasper komplett zu. Enrico wollte das wahrscheinlich nicht sehen, weil er die Ablehnung nicht ertragen konnte. Sie kannte das von Kommilitonen, die in solchen Fällen gerne die Diagnose "latent homosexuell" verteilten, nach dem Motto: er würde ja auch gerne mit mir ins Bett gehen, wenn er es sich nur zugestehen würde. Geraldine hatte so etwas immer als einen sehr verzweifelten Versuch, sich die Welt zurecht zu erklären, gesehen.
Sie kehrte aus ihrem Gedanken zurück. Iaron grinste sie an. Es lag etwas gespielt Unverschämtes in seinem Grinsen.
"Benimm dich!", sagte Geraldine.
Jetzt begann auch Belch zu grinsen. "Das liegt nicht in unserer Natur."
"Was passiert da?", wollte Uracha wissen. Geraldine hatte vergessen, dass die alte Frau die Gesten und Gesichtsausdrücke nicht sehen konnte.
"Iaron versucht gerade bei unserem Nesthäkchen seinen Werwolf-Charme.", erklärte Belch.
"Mitten im Kampf?" Uracha schüttelte den Kopf und murmelte: "Werwölfe!"
In diesem Moment fiel die zweite Sperre. Geraldine konnte es fühlen. Diese entsetzliche Gier, die von den Vampiren ausging, kam näher. Dann brandete wieder Zorn auf. Die dritte Sperre hielt sie zurück. Geraldine konnte sich nicht genug darüber wundern, wie idiotisch diese Wesen mit ihrer Welt umgingen. Mittlerweile müssten sie doch begriffen haben, dass sie auf erheblichen Widerstand gestoßen sind und dass es weiteren Widerstand geben werde.
In der Ferne polterte etwas lang und laut. Dieses Geräusch wurde von einem anschwellenden Ärger begleitet, den wahrscheinlich nur Geraldine spüren konnte. Doch auch ohne dass die Tierärztin dies den anderen mitteilte, musste ihnen klar sein, was passiert war. Urbano hatte den Stollen einbrechen lassen. Die Vampire waren jetzt zwischen einem Erdrutsch und einem magischen Bann gefangen, zumindest eine Zeit lang. Sie atmete tief durch und wappnete sich. Keine Sekunde zu früh! Es war, als würde ein Messer mit unglaublicher Wucht in ihren Schädel eindringen. Der Schmerz schwand und wurde sogleich erneuert, ein drittes, fünftes, zehntes Mal. Urbano musste unter den Nachtwesen wüten, wie ein tollwütiger Fuchs im Hühnerstall.
Dann kamen die plötzlichen Stiche langsamer. Die Schmerzen konnten immer häufiger abklingen und wie zur Beruhigung begann Geraldine zu murmeln: "Noch einer!", jedesmal, wenn es ihr erneut halb das Gehirn herausriss. Unwillkürlich liefen ihr Tränen aus den Augen.
Dann schien es aufzuhören.
Die Tierärztin merkte, dass Uracha ihre Hand hielt und sie von Iaron, Belch und Jasper aufmerksam beobachtet wurde. Doch auch die anderen im Raum starrten sie halb entsetzt, halb neugierig an.
"Das müssen fast vierzig gewesen sein.", sagte Geraldine, nur um etwas zu sagen.
Einige der Werwölfe jubelten und auch Lea schrie laut: "Hurra!"
Im nächsten Moment tauchte Urbano auf. Er hatte kaum eine Form und als er endlich so etwas wie eine menschliche Gestalt angenommen hatte, sank er noch einmal in sich zusammen, in einem Schwall Wasser und materialisierte sich dann endgültig. Er lag auf dem Boden und keuchte.
Geraldine sprang auf. Er war nicht verletzt, jedenfalls nicht äußerlich. Doch sie spürte, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmte. Es war, als sei seine Aura geschädigt. Seine Aura, denn Geraldine fiel kein besseres Wort ein, oder etwas ähnliches, was ihn ausmachte.
Sie half Urbano auf.
Er saß noch eine Zeit lang schweigend da, dann sagte er: "Das war ein guter Plan. Ich konnte neununddreißig von ihnen erwischen. Mehr als zehn habe ich unter einem Erdrutsch eingeklemmt. Diese konnte ich
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