Nacht der Dämonin / Magischer Thriller
mich auf und vergaß alles andere. Ich wusste nicht mehr, wie ich dort hineingeraten war. Wusste nicht mehr, warum ich hier war. Wusste nicht einmal mehr, wer der Mann war, der dort auf dem Boden lag und starb. Alles, was zählte war,
dass
er starb, und wenn er es schließlich tat, würde meine Belohnung jenseits des Vorstellbaren sein.
Karl brüllte etwas davon, dass jemand von diesem Ort fortmusste. Nicht ich. Er würde mir das niemals antun – würde mich nicht von hier wegzerren, nicht, wenn der Tod schon so nahe war, in der Luft hing …
Dies war es, wofür ich geschaffen war. Dies war der Ort, wo ich hingehörte, hier im Auge des Wirbelsturms, den ich in mich hineinsog …
»Sie müssen sie hier rausschaffen.« Benicios Stimme.
»Was glauben Sie, was ich hier gerade versuche?« Ein Fauchen von Karl.
Der Raum drehte sich um mich, zog mich wieder nach unten.
»Es ist das Chaos.« Benicio. »Sie ist …«
»Ich weiß, was hier los ist.« Karl. »Und Sie allem Anschein nach auch.«
Sein Ärger flammte hoch, und ich schauerte zusammen. So köstlich, so vollkommen …
Hände legten sich um meine Taille. Hoben mich hoch. Ich schlug um mich mit aller Kraft. Die Arme packten noch fester zu, und ich trat und schlug und schrie, als ich aus dem Zimmer getragen wurde, durch zwei Türen hinaus in das grelle Leuchten eines weißen Raums.
Die Rettungsleine aus Chaos riss im Licht der Badezimmerlampen. Ich hob den Kopf und sah mein Spiegelbild: eine Alptraumversion von mir, die Haare zerrauft, die Lippen zu einem Fauchen nach hinten gezogen, das Gesicht verzerrt vor blanker, tierischer Rage.
Das Gesicht eines Dämons.
Karl trug mich ins Schlafzimmer. Er legte mich aufs Bett, und ich schluckte Luft, die Kehle wund vom Schreien, und versuchte die Erinnerung an mein eigenes Spiegelbild zu vergessen, mir einzureden, ich hätte eine höllische Täuschung gesehen.
Die letzten fünf Minuten kamen in mein Gedächtnis zurückgeströmt. Was ich empfunden hatte in dem Schutzraum. Was ich gedacht hatte. Alles so fremd wie das Schreckensbild im Spiegel und trotzdem – ebenso wie das Spiegelbild – zu erkennen.
»K-K-Karl …«
Ich sah auf, Tränen der Scham in den Augen, und sah nichts als eine verschwommene Gestalt. Ich spürte, wie seine Arme sich um mich legten, als er in die Hocke ging und meinen Kopf an seine Brust zog.
»Schhh, schhh, schhh.«
»Ich … ich … ich …«
»Schhh.«
Ich zwang mich, den Kopf zu heben, sein Gesicht zu finden, ihm in die Augen zu sehen.
»Ich habe gewollt, dass er stirbt, Karl. Ich habe mich nicht mal erinnert, wer er ist. Ein Mann, den ich kenne, den ich mag, und ich habe gewollt, dass er stirbt, damit ich mich daran …«
Mein Kopf zuckte nach vorn, mein Magen rebellierte, und bevor ich es verhindern konnte, hatte ich mich über Karl erbrochen.
»O Gott, o Gott, es tut mir so …«
Er nahm mein Kinn in die Hand und hob es an, sah mir in die Augen. »Es ist in Ordnung, Hope.«
Er nutzte die freie Hand, um sich geschickt das Hemd aufzuknöpfen, zog es aus und warf es aufs Bett, ohne den Blickkontakt eine Sekunde lang abzubrechen. Bei der Vorstellung – ein mit Erbrochenem verschmutztes Hemd auf Benicio Cortez’ ägyptische Baumwolllaken zu werfen – musste ich ein hysterisches Auflachen hinunterschlucken. Im gleichen Moment füllten meine Augen sich wieder mit Tränen, und ich begann so heftig zu zittern, dass ich nicht mehr atmen konnte.
In Gedanken war ich wieder in dem Schutzraum, schwelgte im Chaos, verschlang es in langen Zügen, sah, wie Troy …
Eine plötzliche Vision drängte die Erinnerung beiseite. Ich spähte zwischen Büschen hindurch, beobachtete einen dunkelhaarigen jungen Mann auf der Terrasse eines Restaurants. Er hielt einen Burger in einer Hand, schrieb mit der anderen, den Blick in ein Buch gerichtet. Etwas an ihm kam mir vertraut vor.
Die Vision verblasste, und ich sah wieder den sterbenden Troy vor mir. Dann sah ich ihn auf der anderen Seite des Tisches sitzen, sah ihn lachen und flirten, und ich dachte, was für ein netter Kerl er doch war, jemand, den ich gern näher kennenlernen würde, jemand, den ich …
Gern sterben sehen würde?
Mein Magen meldete sich zurück, aber es war nichts mehr darin, das nach oben hätte kommen können.
Karl zog mein Gesicht an seines heran. Ich mühte mich darum, ihn zu verstehen.
»Konzentrier dich auf mich, Hope! Auf das, was ich dir zeige.«
Sein Gesicht verschwamm vor meinen Augen und
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