Nacht der Hexen
Mist, den ich mir am Mittag hatte anhören müssen.
Um zehn Uhr nahm ich mir eine Tasse Tee mit ins Wohnzimmer mit der Absicht, mich mit einem Buch auf dem Sofa zusammenzurollen und mir den dringend benötigten geistigen Urlaub zu gönnen. Als ich mich gerade auf dem Sofa einrichten wollte, bemerkte ich ein flackerndes Licht auf der vorderen Veranda. Ich stellte den Becher ab, lehnte mich zurück, zog den Vorhang zur Seite und spähte in die Nacht hinaus. Jemand hatte eine brennende Kerze auf der hinteren Ecke des Geländers abgestellt. Hexen. Kerzen. Ist die Verbindung klar? Als Nächstes würden sie mir wahrscheinlich gläserne Einhörner an den Briefkasten hängen. Kinder.
Ich hatte große Lust, die Kerze zu ignorieren, bis ich meinen Tee getrunken hatte, aber wenn meine Nachbarin von gegenüber, Miss Harris, sie zu Gesicht bekam, würde sie wahrscheinlich die Feuerwehr rufen und mich beschuldigen, die ganze Nachbarschaft abfackeln zu wollen.
Als ich auf die Veranda hinaustrat, sah ich die Kerze zur Gänze, und mir stockte der Atem. Sie hatte die Form einer menschlichen Hand; auf jeder Fingerspitze flackerte eine winzige Flamme. Die Hand of Glory. Dies war nicht einfach nur ein unschuldiger Kinderstreich. Wer auch immer diesgetan hatte, er wusste etwas über okkulte Praktiken und hatte einen ausgesprochen kranken Humor.
Ich marschierte zu der Kerze hinüber. Als ich danach griff, schlossen meine Finger sich nicht um hartes Wachs, sondern um kaltes Fleisch. Ich quiekte und riss die Hand zurück, woraufhin das Ding auf dem Erdboden vor der Veranda landete. Eine Flamme schlug hoch, und eine Rauchwolke stieg auf. Ich rannte die Stufen hinunter und packte die Hand, aber auch diesmal setzte mein Hirn aus, als ich das eisige Fleisch berührte, und ich ließ sie wieder fallen.
Licht flackerte in Miss Harris’ Haus. Ich ließ mich auf die Knie fallen, so dass die Hand außer Sichtweite war, und schlug nach dem kleinen Feuer, das sich in den trockenen Gräsern ausbreitete, die Savannah nach dem Rasenmähen einfach unter die Veranda geschoben hatte. Die Flammen versengten mir die Handfläche. Ich verkniff mir einen Aufschrei und schlug auf den Haufen ein, bis das Feuer gelöscht war.
Ich schloss die Augen, holte Atem und drehte den Kopf, um mir das Ding im Gras anzusehen. Es war eine abgetrennte menschliche Hand; die Haut war graubraun, ein abgesägter Knochenstumpf ragte aus dem Ende, das Fleisch war runzlig und stank nach Konservierungsmitteln. Jeder einzelne Finger war mit Wachs überzogen und mit einem Docht versehen worden.
»Die Hand of Glory.«
Ich fuhr zusammen und entdeckte Savannah, die sich über das Geländer beugte.
»Sieht Miss Harris rüber?«, flüsterte ich.
Savannah warf einen Blick über die Straße. »Sie schielt durch die Jalousie, aber sehen kann sie nichts außer deinem Arsch, der in die Luft ragt.«
»Dann geh rein und hol irgendwas zum Einwickeln.«
Einen Moment später warf Savannah mir ein Gästehandtuch zu. Eins von den
guten
Gästehandtüchern. Ich zögerte; dann wickelte ich die Hand hinein. Dies war kein geeigneter Zeitpunkt, um sich Gedanken um die Haushaltswäsche zu machen. Jeden Moment würde Miss Harris auf ihre Veranda herauskommen, um besser sehen zu können.
»Muss der Magier gewesen sein«, sagte Savannah. »Leah weiß bestimmt nicht, wie man eine von denen macht. Ist sie konserviert oder getrocknet?«
Ich antwortete nicht. Ich stand da, die zitternden Hände um das Bündel gewickelt. Savannah griff über das Geländer danach. Ich winkte sie wieder ins Haus und rannte selbst die Stufen hinauf.
Sobald ich drinnen war, schob ich die handtuchumwickelte Hand in den Schrank unterm Spülbecken, rannte ins Bad und drehte das heiße Wasser auf bis zum Anschlag. Savannah kam herein, als ich am Schrubben war.
»Ich werde sie später begraben«, sagte ich.
»Vielleicht sollten wir sie behalten«, sagte Savannah. »Die sind gar nicht so einfach zu machen, weißt du.«
»Nein, weiß ich nicht«, schnappte ich.
Schweigen. Im Spiegel sah ich Savannah hinter mir stehen, den Gesichtsausdruck undeutbar, den Blick wachsam.
»Ich hab nicht gemeint –«, begann ich.
»Ich weiß schon, was du gemeint hast«, sagte sie. Dann drehte sie sich um, ging in ihr Zimmer und schloss die Tür; sie schlug sie nicht zu, sie zog sie nur leise hinter sich ins Schloss.
Die Hand of Glory ist ein Diebeswerkzeug. Der Legende zufolge sorgt sie dafür, dass die Bewohner des Hauses nicht aufwachen.
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