Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
nicht mehr so sicher.
Also, warum verrätst du ihn immer noch? Warum verschwindest du nicht so schnell wie möglich von hier und hältst dich von ihm für immer fern? Ziggy verdrängte die Stimme. Sein Gewissen hatte noch nie funktioniert, warum also glaubte es jetzt, dass er es bräuchte? Er tat Nate nichts Böses. Er rettete ihn.
Von der Straße, die auf die Seitenstraße mündete, hörte er die quietschende Radkappe des Vans. Es klang so wie damals, als er den Lieferwagen am Bürgersteig vor der Wohnung geparkt hatte. Der Motor lief ein wenig besser, wahrscheinlich wechselte Nate das Öl regelmäßig, aber die Fahrertür quietschte immer noch, wenn sie aufging.
Nate war hier. Er war hier, und Ziggy konnte nicht anders, als in Panik zu geraten. Was zur Hölle würde passieren? Ob er sich wohl freuen würde, ihn wiederzusehen? Wäre es ihm immer noch peinlich? Verdammt, würde er ihn wieder nur aburteilen?
Und dann stand Nate am Ende der Gasse, und Ziggy sah ihn und beide rührten sich nicht.
„Ziggy?“ Es war ein Flüstern, das zu einem Rufen wurde, und Nate rannte auf ihn zu.
Seitdem er von zu Hause weggelaufen war, hatte er sich immer gefragt, wie es wohl gewesen wäre, wenn er nie gegangen wäre. Jetzt, da sein Vater ihn umarmt hielt – und Himmel, weinte er etwa? –, wurde ihm klar, dass nichts anders gewesen wäre. Nate würde ihn immer noch lieben. Und tat es noch.
„He, komm schon. Hör auf zu weinen.“ Ziggy trat einen Schritt zurück, während sein Arm noch auf Nates Schultern lag, denn er hatte Angst, dass er, sobald er ihn losließ, aufdem Boden zusammenbrechen würde. „Komm schon, Dad, wein doch nicht.“
„Ich kann einfach nicht glauben, dass du lebst.“ Schniefend trat Nathan zurück, als sei er verrückt oder betrunken. Oder als stände er vor einer Person, die er tot glaubte. „Ich hatte dich doch festgehalten, als du gestorben bist.“
„Ich weiß, ich weiß.“ Jetzt schnürte es Ziggys Kehle zu, als würde er auch noch anfangen zu heulen. „Ich erinnere mich.“
„Ich hätte dich nie zurückgelassen, wenn ich gewusst hätte, dass …“
„Ich weiß, ich weiß.“ Aber wenn er dich mitgenommen hätte, dann wärest du gestorben. Er hätte dich nie verwandelt. Das würde er nie tun. Er hätte dich sterben lassen. Ziggy hasste die Stimme seines Schöpfers, die in seinem Kopf klang. Ebenso hasste er die Tatsache, dass er recht hatte. Nate hätte ihn retten können, aber er hatte es nicht getan.
Das half ihm ein wenig, sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, weil er ihn durch einen Trick hatte herkommen lassen. „Hör mal, es gibt einen Grund, warum du herkommen solltest.“
„Natürlich. Aber darüber reden wir unterwegs. Du bist hier nicht sicher.“ Nathan nahm ihn am Handgelenk, aber Ziggy rührte sich nicht.
„Nein.“ Er holte tief Luft. Irgendwo hatte er gehört, dass ein Mann erst dann ein Mann wird, wenn er zum ersten Mal seinen Vater schlägt. Auf keinen Fall würde er Nate schlagen, aber ebenso wenig würde er ihn wieder gehen lassen. Jedenfalls jetzt noch nicht. „Nein, du gehst nirgendwohin.“
„Ziggy, du kannst ehrlich zu mir sein. Um Himmels Willen, ich bin es doch. Was ist hier los?“
Bleib stark. Ziggy räusperte sich. „Du kannst nicht wieder wegfahren. Du musst mit mir zurückkommen.“
„Mit dir zurückkommen?“ Nate zog irritiert die Stirn kraus, aber er blickte Ziggy vertrauensvoll an. „Wohin?“
„Du weißt schon, wohin. Zu unserem Schöpfer. Du sollst mit mir zurückkommen.“ Wenn er weiterhin seine Fäuste ballen würde, könnte diese Spannung sich auf seinen gesamten Körper übertragen, und dann würde er nicht von seinem Plan abrücken.
Auch als er begriff, worüber Ziggy sprach, sah Nathan weder wütend oder betrogen aus. Es war ein seichter Schock. „Du sollst mich mitnehmen, damit er mich umbringen kann? Warum sollte ich darauf eingehen?“
„Er wird dich nicht töten!“, beeilte sich Ziggy klarzustellen. „Er möchte einfach, dass du wieder zu Hause bist.“
„Ziggy, er muss die Seelen jedes einzelnen Vampirs haben, den er erschaffen hat, damit er ein Gott werden kann.“ Jetzt klang Nate wütend. „Ich weiß ja nicht, was er dir erzählt hat, aber …“
„Nein! Hör zu! Das stimmt so nicht. Er braucht nicht dich, sondern jemand anderes. Darum hat er sich schon gekümmert, und er wird uns leben lassen.“ Ziggy schluckte. Warum klang das jetzt so unlogisch? „Er will dich wiederhaben, weil er dich
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